Beim Yoga habe ich vor vielen Jahren gelernt, mich nicht aktiv zu vergleichen. Seitdem mach‘ ich beim Üben beide Augen zu und blinzel‘ höchstens mal ein bisschen, wenn ich das Gleichgewicht verliere. Den groben Ablauf kenn‘ ich ja. Und Gucken, wie’s die anderen machen macht für mich nichts besser. Genau genommen lenkt’s nur ab. Weil mein Körper eben nicht viel mit der Anatomie von der kleinen Kräftigen da vorn oder dem jüngeren, fülligen Typen daneben zu tun hat. Wie so ein Hund für mich ganz persönlich am allerbesten herabschaut, ja, das muss ich am Ende alleine raus finden. Und neulich hab‘ ich gemerkt, dass das mit der Nachhaltigkeit im Alltag ganz ähnlich funktioniert.
Eingestellt hatte ich mich eigentlich auf Krawall. Eingeladen als erste Gästin bei „Nachhaltig ohne Blatt vorm Mund“, dem neuen Podcast der Brigitte Be Green, sollte ich mich mit meiner Lieblings-Redakteurin und Magazin-Erfinderin Alexandra Zykunov ein bisschen über Slow Fashion streiten. Gemeinsam wollten wir zugeben, was uns nervt am Verzicht auf konventionelle Kleidung und dabei richtig ehrlich sein.
Ich kam, sprach – und verfehlte ehrlich gesagt meinen Job. Statt wütend wurde ich weicher als beim Yoga. Unter Beobachtung der unterschiedlichen Ansätze im gleichen Mindset setze sich während des Gesprächs für mich nur eine echte Erkenntnis durch: Macht doch alle, was ihr wollt!
Ein verantwortliches, Ressourcen schonendes, Klima freundliches, nachhaltiges Privatleben ist nichts, für das es General-Rezepturen gibt. Und so lohnt es auch nicht, sich über Teilaspekte dessen aufzuregen. Spart Euch diese Energie! Stattdessen sollten wir Achtsamkeit üben. Oder noch einfacher: Erstmal uns selbst besser kennen lernen. So richtig, mit allen Eigenheiten und Bedürfnissen.
Euch zu Spiri? Schon ok. Bisher gibt es laut Psychologie Heute zwar kaum Belege dafür, dass Achtsamkeit direkt zu mehr Nachhaltigkeit führt. Wohl aber gibt’s Hinweise auf einen indirekten Zusammenhang. Eine Studie mit einem experimentellen Ansatz ergab zum Beispiel, dass gezieltes Meditationstraining die Achtsamkeit erhöhte und in Folge die innere Haltung zum Konsum änderte. Klingt logisch. Let’s give it a try!
Lasst es uns versuchen – und alle auf ganz individueller Ebene bitte unbedingt das machen, was für uns selbst funktioniert. Ihr braucht (wie ich) auch alle halbe Jahre mal einen Cheat-Day, um ein Leben ohne Fast Fashion durchziehen zu können? Do it! Ihr wollt in der Mode ein Ganz-oder-Garnicht, macht aber Ausnahmen bei Milchprodukten, Flugreisen oder Plastikverpackungen? Cool! Menschen sind verschieden. Die Wege in einen grüneren Lifestyle auch.
Wenn wir das vergessen, dann suchen wir nach Anleitung, nach Allheilmitteln und allgemeinen Tipps zur Verbesserung in einem Alltag, der komplett individuell ist. Was für ein Quatsch. Und was für eine Energieverschwendung. Wer ab und zu nach rechts und links guckt, bekommt Inspiration, klar. Wer immer nur nach rechts und links guckt, bekommt ziemlich wahrscheinlich nur etwas aufgedrückt. Und kann am Ende kaum ohne Frustration davon kommen.
Spätestens, wenn auch noch die Bewertung von außen dazu kommt. Schlimmstenfalls der gute alte Whataboutism: „Schön, dass Du für eco-fair Fashion bist, aber Milch trinkst Du noch? Und was ist mit Deiner Flugreise vor drei Jahren?“ Ihr kennt das Game. Um daraus nicht ständig als gefühlter Voll-Loser hervor zu gehen und am Ende wohlmöglich aufzugeben, weil Richtigmachen quasi keine Option ist, müssen wir nur eins wissen: Wer wir sind.
Wir müssen wissen, wie wir funktionieren, was uns stoppt, was uns hilft und wie wir uns ein Konstrukt bauen, indem es möglich ist, möglichst eco-fair und gleichzeitig glücklich zu leben. Und das kann für die kleine Kräftigen da vorn oder dem jüngeren, fülligen Typen daneben halt komplett anders sein, als für mich. Und den groben Ablauf kenn‘ ich ja.
Wir alle hier leben in einer extrem privilegierten Gesellschaft. Lasst uns unsere Vorteile nutzen und den Luxus genießen, in so vielen Bereichen frei wählen zu dürfen – anstatt es uns unnötig schwer zu machen, indem wir uns immer wieder weg bewegen von der eigenen Intuition. Und apropos wählen: Geht’s um’s Verteilen politischer Mandate kann natürlich auch jede*r machen was er oder sie will. Demokratie und so. Nur tun, da kommt zum Schluss dann doch noch Dogma, tun muss man’s!
Denn am Ende, machen wir uns nicht’s vor, brauchen wir nicht vornehmlich den Wandel im Individuellen. Wir brauchen den großen, politischen, wirtschaftlichen System-Change. Wie wir den antreiben können? Da hab‘ ich einen Tipp für Euch: aktiv werden! Nur wie genau? Das finden wir am besten alle für uns selbst raus.
Wer den Gral der Erkenntnis nachverfolgen und auch inhaltlich ins Detail gehen will, der hört „Nachhaltigkeit ohne Blatt vorm Mund“. Danke von Herzen an Dich, liebe, Alexandra und das ganze Brigitte Be Green-Team.
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