Leipzig Plagwitz. Die Hauptstraße ein bisschen Berlin. Die Seitenstraße nett, wie Kleinstadt. Viel Platz für Familien und viel Platz für junge Brands, Kreative und Start-Ups. Irgendwo zwischendrin hat Jana Schindelhauer die Werkstatt für ihr Label IKOSAE . Oder besser gesagt: Experimentierplatz. Denn für Jana sind ihre Produkte mehr, als bloß Taschen.

Das Studium war sehr hollistisch ausgelegt und ich hab auch immer an den Grenzen des Bereichs Innenarchitektur gearbeitet. In einem Auslandssemester habe ich dann mehr Zeit beim Produkt-Design verbracht.
Ich hab schon immer gern als Hobby genäht. Deswegen waren mir Textilien auch immer sehr nah. Dadurch bin ich auf das Material gestoßen, dass ich heute hauptsächlich nutze: PVC – LKW Plane. In meinem Fall ist es so, dass sie als Rest bei einem großen Verarbeiter für Industrieabdeckungen abfällt. Für den Hersteller ist die Menge zu klein und würde normalerweise entweder verbrannt oder in seltensten Fällen noch recycelt werden.



Also ich bin nicht in einem Pippi-Haushalt groß geworden. Aber ich glaube, dass so eine Art Unkonventionalität schon immer da war in meiner Familie. Ich bin in Magdeburg in der DDR aufgewachsen. Da waren die Ressourcen immer knapp. Wenn man etwas haben wollte, musste man es sich selber schaffen. Heute würde man das vielleicht DIY nennen. Mein Vater und mein Opa haben fast alles am Haus selber gemacht. Es wurde immer alles verwertet, aufgewertet und umgebaut.
Ich hab schon immer gern gezeichnet und versucht Sachen zu schaffen. Aber ich wusste auch, dass ich schon immer einen Nachhaltigkeitsaspekt mit in meine Arbeit einbringen wollte. Deswegen hatte ich mich auch ursprünglich für Innenarchitektur beworben, statt für Architektur. Ich dachte, ich will lieber erst einmal Bestandsbauten wieder fit machen und mit dem arbeiten, was eh da ist, statt neu zu bauen. Mein Credo war immer: Vorhandenes länger Nutzen. Rückblickend hat sich das auch immer durch meine Arbeiten durchgezogen.



Durch das Nähen als Hobby habe ich mich schon immer für Taschen interessiert. Vor allem für die Funktion und Funktionalität dahinter. Ich fand viele Outdoor Rucksäcke nicht stylisch oder minimalistisch genug. Der Antrieb kam deswegen eher aus mir persönlich heraus. Ich wollte für mich den perfekten Rucksack entwickeln. Parallel kam dieses Material dazu, dass im Überfluss da war.
Ja. Als ich begann, mich für das Material zu interessieren, habe ich recherchiert, weil ich es mal austesten wollte. Dabei habe ich in meiner Heimatstadt Magdeburg einen Verarbeiter gefunden, wo das Material als Rest anfällt. In dem Zusammenhang habe ich überhaupt gemerkt, wie viel da anfällt. Da war es logisch, sich einen Prozess zu überlegen, der dazu passen konnte. Daraus hat sich eine langfristige Beziehung und Kooperation entwickelt. Die gleiche Firma fertigt heute auch die Taschen, da sie die ganzen Maschinen, Prozesse und Mitarbeiter eh schon vor Ort haben.



Ich habe den Schnitt, die Funktionalitäten und die Materialien definiert und die Firma produziert die Taschen dann selbstständig. Ich kaufe die fertigen Taschen dann bei ihnen ein.
Ja, das kann man wohl sagen. Aber es ist für uns beide ein Win Win.
Ich kenne natürlich den Vergleich. Das sind ja auch Vorbilder für mich. Ich würde mich da eher beim Design-Aspekt einordnen und diesen Ästethik-Anspruch nach vorn bringen. Der Nachhaltigkeitsaspekt dahinter sollte sowieso neuer Standard werden. Bei dem Material ist es mir wichtig, nichts neues zu nehmen, weil PVC grundsätzlich eher ein schwieriges Material ist.




Ich bin sehr offen für Neues und hab richtig Bock auch neue Sachen auszuprobieren.
Das kommt von Ikosaeder. Das ist ein platonischer Körper, der einer Kugel sehr nah ist. Dadurch hat er eine sehr gute Effizienz, was Fläche und Volumen angeht. Wenn man ihn flach aus einer Fläche herausschneiden würde, entsteht gar kein Verschnitt.
Das geht jetzt langsam los. Ich habe erstmal 150 Taschen als erste Mindestauflage produziert, die ich auch bei meinem Crowdfunding angeboten habe. Dadurch habe ich auch einen schönen Schlüssel erstellen können, welche Modelle am Beliebtesten sind. Da zirka ein Drittel beim Crowdfunding verkauft wurde, geht der andere Teil der ersten Auflage in den neuen Online-Shop. Zusätzlich gibt es jetzt eine ersten ersten Fair-Fashion Laden in Magdeburg, der Ikosae vertreibt.

Ich habe im Grunde ja erst letzten Dezember gelauncht. Von daher ist es schon hart gerade. Ich habe zwar keine Lieferengpässe, weil ja alle hier lokal hergestellt wird. Aber ich wollte dieses Jahr eigentlich richtig loslegen: Händler im Einzelhandel akquirieren, auf Messen und Märkte fahren. Aber irgendwie war es auch Glück im Unglück, weil ich noch nicht so viel Energie und Geld investiert habe. Deswegen hatte ich auch die Möglichkeit und Zeit mich nochmal zu hinterfragen: was ist wirklich essentiell, auf was sollte ich vielleicht mehr Fokus legen, damit das hier weiter bestehen kann? Die Auszeit war deswegen auch gut für mich, um ein bisschen Luft zu holen. Das letzte Jahr war dann doch auch ganz schön anstrengend.
Mittlerweile finde ich viele Sachen super geil. Aber ich weiß noch, als ich vor ein paar Jahren recherchiert habe, was die big player in der nachhaltigen Welt so machen, war das noch mehr Jute-Beutel Style und Hanf-Ästehtik. Daher kam auch der Wunsch nach einer Art Fancyness. Aber heute unterscheiden sich nachhaltige Produkte ästhetisch nicht mehr grundlegend von konventionellen Sachen.



Aus der Bubble heraus merkt man schon, dass die Bubble auch immer größer wird. Viele finden heute auch ästhetisch viele schöne nachhaltige Alternativen. Während meines Studiums habe ich mir immer vorgestellt, wie geil es wäre, wenn man ein super tolles Produkt hat, auf das die Leute voll abfahren. Und dann sagt man so nebenbei, dass das übrigens auch nachhaltig ist. Das fand ich immer toll. Ich glaube, dass die Wertevorstellung dabei immer wichtiger wird. Durch die Coronakrise, aber auch durch die Klimakrise, muss bei allen ein Umdenken stattfinden. Diejenigen, die das nicht machen, werden im schlimmsten Fall wie Dinos aussterben.

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