Kaum ein Begriff zieht uns aktuell so in den Bann wie „Nachhaltigkeit“. Er wird von Vielen als Worthülse kritisiert; die Mehrheit kann wenig Konkretes damit anfangen; fast Jeder interpretiert ihn für sich selbst und doch will ihn Niemand als Vision eines zukünftigen Lebens missen. Woran liegt dieser Zwiespalt, was genau bedeutet „Nachhaltigkeit“ und wie erkennen wir, ob bei der Nutzung des Begriffes auch wirklich Nachhaltigkeit drin steckt? Der Begriff der Doppeldeutigkeit.
Eines müssen wir zu allererst festhalten: Nachhaltigkeit ist ein stark kulturgeschichtlich geprägter Begriff – das heißt, bis in die heutige Zeit erfuhr der Begriff sehr viele Deutungen, Zuordnungen und Interpretationen, die es zu einem Wort mit einer dynamischen und teils komplexen Bedeutungsvielfalt heranwachsen ließ. Dies kann man dann auch gern „schwammig“ nennen, doch genau in dieser Anpassungsfähigkeit liegt auch eine Stärke dieses Begriffs. Pufè beschriebt das in ihrem Buch Nachhaltigkeit so:
Nachhaltigkeit ist ein erst noch an Kontur gewinnendes, abweichend interpretiertes Leitbild, das unterschiedliche Weltbilder ebenso wie Anliegen, Bedürfnisse und Modelle einer guten Gesellschaft unter sich vereint.Iris Pufé
In unserer komplexen Welt schafft es dieser Begriff, allen Gesellschaften eine Erklärung zu geben für die Vision eines guten Lebens, ohne dabei ausgrenzend oder polarisierend zu wirken.
Wir in Deutschland haben jedoch ein besonders zwiespältiges Verhältnis zu dem Wort. Denn er führt hierzulande quasi ein sprachliches Doppelleben. Ursprünglich bedeutet nachhaltig in der Gemeinsprache allen voran etwas Dauerhaftes, Nachdrückliches und Intensives, ohne dabei einen weiteren gesellschaftspolitischen Entwicklungsgedanken im Blickfeld zu haben. Diese Bedeutung ist schon seit dem Mittelalter im deutschen Sprachgebrauch und war anfangs als nachhaltend der Bevölkerung geläufig.
Dann kam der wohl meist zitierte Nachhaltigkeits-Pionier Hans Carl von Carlowitz mit seiner Schriftenreihe zur zukunftsfähigen Bewirtschaftung von Wäldern. Er schuf die Wortbildung nachhaltende Nutzung und meinte damit das „Zurückhalten einer Reserve für zukünftige Nutzungen“. In diesem Zusammenhang entwickelte sich der Begriff als zentraler Grundsatz des Forstwesens, der das Nachhalten des Rohstoffes Holz als unentbehrliche Sache für künftige Generationen beschreibt.
Carlowitz lieferte damit vielen Wissenschaftlern, Akademikern und auch Praktikern eine sehr anschauliche Metapher zur Erklärung des Nachhaltigkeitsleitbildes: Bäume, die abgeholzt werden, müssen so nachgepflanzt werden, dass ein Abholzen auf lange Sicht – und damit verbunden die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit – erhalten bleibt. Dies nennt man in wissenschaftlichen Kreisen ressourcenökonomisches Modell. Spannend ist auch, dass hiermit eben eine komplett neue Bedeutung des Begriffs entstand, die man so gar nicht im allgemeinen Sprachgebrauch nutzte – Carlowitz suchte lediglich nach einer treffenderen Bezeichnung für pfleglich, denn er wollte sie mit Schutz und kontinuierlich verbinden und wählte: nachhaltend. Viele denken, dass Carlowitz den Begriff ausführlich verwendete; das stimmt so jedoch nicht: In seiner 450 Seiten langen Schriftenreihe griff er die Bezeichnung nur zweimal wörtlich auf. Doch die Verbindung von nachhaltend und Nutzung rief so treffsichere Assoziationen hervor, dass sie fortan kaum noch wegzudenken war und schließlich zunächst in das Französische „soutenu“ und final ins Englische als „sustainable“ übersetzt wurde.
Nun zurück zum Doppelleben: Während die wissenschaftliche Aufwertung des Begriffs voll im Gange war und sich bis ins 20. Jahrhundert weiter geschärft hat, blieb die ursprüngliche Bedeutung der Langlebigkeit im normalen Sprachgebrauch weiter erhalten. Bis heute. Im Englischen oder Französischen gibt es diesen Zwiespalt nicht, denn dort erfuhr der Begriff seit seiner sprachlichen Geburt direkt seine klare Bedeutung.
Wenn ihr demnächst das Wort wieder in irgendeinem nicht klar ersichtlichen Kontext hört, dann erinnert Euch an das Doppelleben der Nachhaltigkeit und stellt sicher, dass alle beteiligten Gesprächspartner von der gleichen Nachhaltigkeit sprechen.
Was bedeutet nun Nachhaltigkeit?
Seit dem 18. Jahrhundert soll mit Nachhaltigkeit also ausgedrückt werden, dass die Nutzung eines natürlichen Systems in so einer Weise geschehen soll, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sich sein Bestand auf natürliche Weise erholen kann.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde deutlich, dass das bis dahin recht lokal fokussierte Konzept der Nachhaltigkeit so nicht mehr auf die Realität zutraf. Denn längst wurden globale Phänomene wie die Veränderung der Ozonschicht oder „fremdverschuldete“ regionale Ereignisse wie Tankerunglücke und Quecksilbervergiftungen offensichtlich. Zugespitzt wurde dies durch den im Jahr 1972 veröffentlichten Bericht „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome, der anhand von Computersimulationen darstellte, dass eine Weiterführung der ressourcenintensiven Wachstumspolitik auf Dauer nicht global tragfähig ist. Außerdem wurde offensichtlich, dass vorherrschende Umweltprobleme nicht ohne Berücksichtigung sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen der Menschheit zu lösen sein würden. Wie sollten sich Menschen in extremer Armut auf Umweltprobleme konzentrieren können, wenn sie um das tägliche Überleben kämpften?
Es setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die von den entwickelten Ländern des Nordens vorhandenen Lebensstile nicht langfristig auf die übrige Welt übertragbar sind. Wegweisende Publikationen dazu waren der sogenannte „Brandt-Report“ – initiiert von Willy Brandt – der sich mit der Verantwortung der Länder des Nordens für viele Umweltfragen und sozioökonomische Probleme auseinandersetzte und diesen Ländern (also auch Deutschland) die Hauptlast bei deren Lösung zuwies. Es wurde klar: Nur wenn Grundbedürfnisse befriedigt sind, kann ein armutsbedingter Bevölkerungswachstum gebremst und eine armutsbedingte Umweltzerstörung verringert werden. Dabei gilt jedoch stets folgende Prämisse der Nachhaltigkeit:
HEUTE nicht auf Kosten von MORGEN, HIER nicht auf Kosten von ANDERSWO.
Wenn man Nachhaltigkeit in seiner heutigen Bedeutung verstehen will, kann man sich folgende zentrale Grundsätze merken:

Verantwortung für das JETZT.
Alle Handlungen sollten so ausgerichtet sein, dass sie keine unwiderruflichen Folgen für unser heutiges Zusammenleben haben. Wenn also unsere Gesundheit durch Autoabgase akut gefährdet ist, dann sollte sofort dagegen gehandelt werden. Außerdem: Jedem und wirklich JEDEM muss das Recht auf die Erfüllung essentieller Grundbedürfnisse zugesprochen werden. Hier gibt es keine Ausnahme.
Verantwortung für das MORGEN.
Unsere heutigen Entscheidungen haben nicht selten Einfluss auf zukünftige Lebensweisen. Wir tragen also mit unserem jetzigen Handeln auch eine große Verantwortung für zukünftige Generationen – das nennt man auch häufig Enkeltauglichkeit.
Der VERURSACHER zahlt.
Wenn wir durch unsere Lebensweisen Schäden anrichten – auch indirekt – dann sind wir dafür verantwortlich, auch wenn die Wirkungen gar nicht bei uns zu spüren sind. Darum sind wir auch so stark in der Pflicht, unsere Treibhausgase drastisch zu reduzieren, da wir die Hauptverursacher des erhöhten Ausstoßes sind.
Die VORSORGE hat Vorrang.
Wir kennen das bei Diskussionen rund um die Gesundheit – durch Vorbeugung versuchen wir unser langfristiges Wohlergehen präventiv abzusichern. Es sollten also schon im Vornherein die Folgen abgeschätzt werden und nicht erst, wenn sie unumkehrbar sind.
GLOBAL denken, LOKAL handeln.
Viele der bekannten Nachhaltigkeitsfelder (Klimawandel, Müllproblem, Artenverlust…) sind globale Phänomene, die Lösungsstrategien im internationalen Kontext erfordern, jedoch im nationalen oder lokalen Rahmen umgesetzt werden müssen. Wer hier abstrakt bleibt, wird nicht erfolgreich sein.
Alle BETROFFENEN einbeziehen.
Gerade im wirtschaftlichen Kontext werden oftmals nur die direkten Betroffenen in den Blick genommen – also Kunden, Inhaber, Mitarbeiter. Doch das greift zu kurz. Auch andere Akteure müssen bei Entscheidungen mitbedacht werden. Wird die umliegende Natur so ausgebeutet, dass ein irreparabler Schaden entsteht und andere Bevölkerungsgruppen darunter leiden? Werden Menschen in anderen Erdteilen ausgenutzt, damit wir hier unsere gewohnten Konsummuster wahrnehmen können?
Ihr könnt diese sechs Prinzipien als Messlatte ansehen, wenn Unternehmen, Regierungen oder sonstige Akteure von ihrem nachhaltigen Engagement sprechen. Man erkennt relativ schnell, ob diese Eigenschaften auf die Handlungen zutreffen oder nicht.
Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass Nachhaltigkeit nur durch eine Berücksichtigung verschiedener Dimensionen gesellschaftlicher Entwicklung erreicht werden kann. Durchgesetzt hat sich hierbei das so genannte Nachhaltigkeits-Dreieck mit den bekannten Dimensionen Ökologie, Wirtschaft und Soziales. Zur Diskussion rund um die Dimensionen wird es später noch einmal einen Blogbeitrag geben, denn auch hier sollte man wissen, wovon man spricht.
Ab wann ist etwas nachhaltig?
Ich werde oft gefragt, ab wann ein Unternehmen oder ein Produkt nachhaltig ist. Und hier muss ich dann nicht selten enttäuschen und gehe zurück zur Begrifflichkeit. Wie anfangs erwähnt, wurde bis ins 19. Jahrhundert die Bezeichnung nachhaltend verwendet, was einen klaren Prozessbezug hat – es wird eine dauerhafte Existenz ohne unwiederbringliche Schäden sichergestellt – nur ändert sich dies stets mit der Zeit oder auch den sich wandelnden Rahmenbedingungen. Deshalb werden wir NIE nachhaltig sein können ABER wir können alles dafür tun, dass wir uns in eine sichere und von Vielen gewünschte Richtung bewegen. Das wäre dann nachhaltig.
Mir ist bewusst, dass diese Antwort nicht immer befriedigend ist, denn wir wollen oftmals ein klares Ergebnis, einen Erfolgsmoment, der uns bestätigt, dass sich unsere Anstrengungen gelohnt haben und dass wir am Ziel angekommen sind. Dafür war das Konzept von Nachhaltigkeit jedoch nie gedacht. Denn es muss als ein Leitbild verstanden werden, welches uns Leitplanken vorgibt, auf die sich eine Gesellschaft einigt, und deren Nichteinhaltung zu Entwicklungen führt, die offenkundig als nicht zukunftsverträglich akzeptiert werden.
Die ökologischen Leitplanken werden durch die sogenannten planetaren Belastbarkeitsgrenzen beschrieben. In diesem Konzept werden neun besonders wichtige Prozesse dargestellt, die das globale ökologische System in Balance halten und es werden Bereiche definiert, in denen das System im Gleichgewicht bleibt. Werden Grenzwerte durch menschliche Störungen überschritten, wächst die Gefahr eines abrupten und nicht mehr kontrollierbaren Wandels des Erdsystems – hin zu für die Menschheit existenziell bedrohlichen Lebensbedingungen. Dieses Konzept verdeutlicht also den Handlungsraum für die (ökologische) nachhaltige Entwicklung und illustriert die Risiken der Überschreitung zentraler Grenzen. Es offenbart, dass wir in vier Bereichen akuten Handlungsbedarf haben: die Klimakrise, der weltweite Rückgang der Artenvielfalt, die intensive Nutzung des Landes und die Veränderung von Stoffkreisläufen im Wasser und der Erde. Wenn wir hier nicht sofort umdenken, kann dies zu katastrophalen Folgen für unser menschliches Zusammenleben führen. In den folgenden Beiträgen werden die akut gefährdeten Bereichen noch einmal detaillierter dargestellt.

Woher erkenne ich, ob der Begriff „nachhaltig“ auch richtig eingesetzt wird?
Nachhaltigkeit steht nicht nur wegen der doppeldeutigen Nutzung in der Kritik, sondern auch weil sich viele Unternehmen, Politiker und Initiativen mit diesem Begriff schmücken, ohne dass sie dies mit glaubwürdigen Botschaften verknüpfen. Dies nennt man Greenwashing, was in zukünftigen Blogartikern noch öfter zur Sprache kommen wird. Wie kann man also einschätzen, ob es die jeweiligen Akteure auch wirklich ernst meinen mit der Nachhaltigkeit? Hier vier kleine einfachere Regeln, die man immer prüfen kann:

- Bei Nachhaltigkeit muss sowohl auf Umwelt als auch soziale Aspekte Bezug genommen werden.
Aus „moderner“ Sicht ist etwas nicht unbedingt nachhaltig, wenn es nur wirtschaftlichen Erfolg bringt oder rein ökologische Sachverhalte berücksichtigt. Die in Plastik verpackte Bio-Banane aus Übersee muss nicht auch nachhaltig sein, denn es können andere Umweltauswirkungen auftreten (in dem Fall etwa Plastikmüll und CO2-Emissionen) und die Berücksichtigung von Arbeitsbedingungen oder auch Menschenrechtsfragen ist mit dem Biosiegel nicht garantiert. Man redet hier auch manchmal von der „Triple-Bottom-Line“, was in etwa bedeutet, dass die Berücksichtigung eines Aspekts nicht zu Lasten eines anderen Faktors führen darf, sondern alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden sollten.
- Nachhaltigkeit muss auch eine erhöhte Qualität mit sich bringen.
Es wird immer offensichtlicher, dass Nachhaltigkeit mit expandierenden Wachstumsbestreben unvereinbar ist. Zwar kann z.B. versucht werden, den Ressourcenverbrauch durch neue Produktionstechniken und effizientere Prozesse trotz steigender Absatzzahlen zu reduzieren, dennoch bewirkt dies leider sehr häufig einen sogenannten Rückschlag- oder Reboundeffekt. Das heißt, die frei werdenden Kapazitäten werden anderweitig eingesetzt und dann oftmals viel intensiver verbraucht. Ein Beispiel sind PKWs, die immer größer werden, auch weil sie weniger Kraftstoff verbrauchen aber dadurch der Ressourcenverbrauch und letztlich der CO2-Ausstoß insgesamt ansteigt. Das heißt, nachhaltige Praktiken und Produkte müssen dazu anregen, weniger zu verbrauchen oder zu konsumieren. Dies kann gelingen, indem deutliche Qualitätsverbesserungen erreicht werden, z.B. indem die Langlebigkeit erhöht wird oder indem Bedürfnisse auf „konsumarme“ Dinge gelenkt werden wie z.B. Entschleunigung, Authentizität und Gemeinschaft. Ein guter, wenn auch nicht immer funktionierender Indikator sind niedrige Preise: ein nachhaltig produziertes T-Shirt für 5€ oder der Fair-Trade Kaffee für 5€ sind höchst wahrscheinlich nicht nach besten Nachhaltigkeitsstandards hergestellt und bewirken keine großen positiven Veränderungen in ökologischen und sozialen Fragen.
- Nachhaltigkeit muss sich auf relevante Bereiche beziehen.
Es reicht nicht aus, wenn ein Mode-Label eine kleinere nachhaltige Kollektion herausbringt aber die große Masse an Waren weiterhin konventionell hergestellt wird. Dies führt in die Irre und lenkt von den wirklich notwendigen Veränderungen ab. Deshalb sollte Nachhaltigkeit in alle Bereiche eines Unternehmens eindringen und insbesondere die wirklich wesentlichen Aspekte der jeweiligen Tätigkeit abdecken. Hier kann man sich immer die Frage stellen: Mit welchen Produkten verdient das Unternehmen sein Geld und wird genau dort nach den höchsten Nachhaltigkeitsstandards agiert? So ist zum Beispiel weniger relevant, dass Mc Donald’s in seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht die Energieeinsparungen in den Filialen hervorhebt, da bei den eigentlichen Produkten, den Fleischprodukten, kaum Nachhaltigkeitsambitionen verfolgt werden.
- Nachhaltigkeit muss transparent und überprüfbar sein.
Unternehmenseigene Statements, die nicht anhand externer Prüfungen oder Zertifizierungen belegt werden können, sollten immer mit einer gesunden Skepsis begegnet werden. Ohne eine transparente Offenlegung der umweltfreundlichen und sozialverträglichen Aktivitäten kann keine Glaubwürdigkeit wachsen. Am besten lässt man dies durch unabhängige und externe Gutachten bestätigen. Existiert so etwas überhaupt nicht, sollte man als Kunde oder Konsument lieber die Finger davon lassen.
Ihr interessiert Euch für das Aufdecken von Greenwashing? Dann schaut Euch diese Seite mal an: Sins of Greenwashing.
Ich verstehe es, wenn skeptische und kritische Äußerungen zum Nachhaltigkeitsbegriff getätigt werden. Diese sind auch berechtigt und müssen ernst genommen werden. Und dennoch glaube ich an diese Bezeichnung. Sie hat sich in den letzten 300 Jahren zu einem ausgereiften Konzept entwickelt und konnte sich in einem sehr intensiven Diskurs weiterentwickeln. Manchmal wollen wir aber auch mehr in den Begriff hineininterpretieren, als was dieser leisten kann. Auch sprachlich müssen wir wissen, in welchem Kontext das Wort benutzt wird und wie damit umgegangen wird. Deshalb möchte ich mit einer Buchempfehlung und einem Zitat daraus enden, das die Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs vom Ursprung bis zur Neuzeit beschreibt, in liebevoller, ernsthafter und sehr inspirierender Weise:
Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs.„Nachhaltigkeit wird der Hauptbegriff bleiben. In den Sprachen der Welt wie im Deutschen, wo er tiefe Wurzeln hat. Er hat die nötige Gravität und die nötige Elastizität. In diesem Wort ist alles enthalten, worauf es ankommt. Seine Gravität – also Gewicht, Schwerkraft – bezieht er aus seiner existenziellen Perspektive. Die menschliche Fähigkeit, vorauszuschauen und für kommende Generationen vorzusorgen, ist sein Thema von Anfang an. Zum Horizont wird damit die Gesamtheit von Raum und Zeit – die Ewigkeit. Ökologie und Lebensqualität, einschließlich globaler Gerechtigkeit, sind in dem Begriff aufgenommen und gespeichert. Sie betreffen die Schlüsselaufgaben des 21. Jahrhunderts. Ohne ökologische Stabilität und sozialen Zusammenhalt wird auf dem Planeten nichts mehr von Dauer sein. Was macht den Begriff elastisch? Es ist die Möglichkeit, seine Substanz erfolgreich den jeweiligen Bedingungen anzupassen. Nachhaltigkeit ist kein starres System von Vorgaben, kein Rezept, das einem sagt, was in jeder Lage zu tun ist. Es läuft darauf hinaus, ein Spielfeld zur Verfügung zu haben, wo du experimentieren kannst, ohne abzustürzen, wo du neu kombinieren kannst, um daraus zu lernen und neue Kombinationen zu finden. Man möchte Nachhaltigkeit haben in dem Sinne, das man in dieser Evolution des Lebendigen nicht ausgeschieden wird.“
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