Mit Lidl im Gespräch zu Bio im Discounter, Import-Obst und Gurken in Folie (Werbung)

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Dieser Artikel erscheint aus Überzeugung – und in freundlicher Zusammenarbeit mit Lidl

Rund 37 Kilogramm Plastikmüll pro Jahr produzieren wir Deutschen durchschnittlich – und zwar nur mit dem, was wir verpackt einkaufen. Ein Großteil davon kann nicht recycelt werden, weil die Kunststoffhüllen entweder nicht sortenrein sind. Oder weil sie zuhause nicht richtig entsorgt werden. Und so fragen wir uns immer wieder: Muss das sein? Spoiler: nein. Aber so ganz einfach ist er offenbar auch nicht, der Weg weg von überflüssiger Verpackung. Schon mal gar nicht im Mainstream. Umso besser, wenn genau dort kleine Schritte in die richtige Richtung gemacht werden. 

Vergangene Woche wurde bei Lidl das sogenannte „Dein Vitaminnetz“ eingeführt, das Kund*innen dazu animieren soll, Obst und Gemüse mehr lose einzukaufen. Und wir haben den Anlass genutzt, den Geschäftsführer Einkauf Julian Beer, 36, endlich einmal ein paar Gretchenfragen zum Thema Plastik, Bio und Co. zu stellen. Ein Gespräch mit einem Mann, der sich nach der Ausbildung im väterlichen Öko-Großhandel erst zum Internationalen Management Studium und dann zur Karriere im Discounter entschied. Und der gemeinsam mit seinem Team von dort aus zunächst „Ohne Gentechnik“ zum Standard im deutschen Lebensmittelhandel machte  –  und zuletzt die Kooperation mit Bioland begründet hat. Schließen sich Nachhaltigkeit und günstige Preise also am Ende gar nicht aus? Hier könnt Ihr Euch ein Bild machen:

Lieber Julian, zwei Vitaminnetze kosten 49 Cent, eins fasst fünf Kilo Obst oder Gemüse. Klingt alles super. Und trotzdem drängt sich zum Thema Plastik sparen sofort eine Frage auf: Warum habt Ihr Euch beim Material für reines Polyester entschieden? Wäre statt Kunststoff nicht Baumwolle besser gewesen?

Nein, weil Baumwolle angebaut werden muss – und wir aktuell nicht hätten gewährleisten können, dass das zur Herstellung aller Netze nachhaltig und für alle Menschen entlang der Lieferkette nach unseren Vorstellungen erfolgt wäre. Außerdem glauben wir, dass die Haltbarkeit von reinem Polyester und damit die Lebensdauer so deutlich höher ist- dies zeigen auch verschiedene Studien. Und wir haben darauf geachtet, dass unser Netz nahezu vollständig recyclebar ist.

Du bist seit neun Jahren bei Lidl, sind die Leute jetzt eher bereit für ein Vitaminnetz, als damals?

Definitiv. 

Warum?

Das Erstarken der Grünen ist das Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderung. Die Menschen – und damit Konsumenten – hinterfragen kritischer. Das öffentliche Interesse an diesen Themen wächst. Hinzu kommt der immer schnellere Informationsfluss und eine steigende Transparenz. Zum Glück! Denn dementsprechend werden natürlich auch alle Hersteller und Anbieter aufgefordert, echte Nachhaltigkeit voranzutreiben und aktiv zu leben. Konsument*innen setzen das heute voraus. 

Auch im Discounter?

Ja, denn „den reinen Discounter-Kunden“ gibt es selten. In der Regel besuchen unsere Kunden auch andere Marktteilnehmer und vergleichen nicht nur Produkte, sondern auch Engagement. Mehr Nachhaltigkeit wird so für uns zum Wettbewerbsvorteil – neben unserer grundsätzlichen Verantwortung als großes Unternehmen. Und wir haben gemerkt: Man kann wirklich etwas bewegen, das hat die schrittweise Umstellung auf gentechnikfreie Produkte gezeigt. Wenn einer anfängt und es richtig macht, in dem Fall wir, entsteht eine Sogwirkung und alle ziehen mit. Und plötzlich gibt’s eine neue Norm. 

Schließen sich Nachhaltigkeit und Discount nicht trotzdem gegenseitig aus?

Da kann ich eigentlich gar nicht energisch genug widersprechen! Wir arbeiten täglich daran, dass wir uns und die einzelnen Bereiche kontinuierlich weiterentwickeln. Hierbei arbeiten wir eng mit Verbänden, Stakeholdern und Landwirten zusammen. Dafür müssen wir entsprechend große Schritte gehen und denken schon lange nicht mehr in ausnahmslos kommerziellen Maßstäben. Aber wenn der Discounter, mit seiner Kostenstruktur und geringeren Margen, imstande ist, Dinge nachhaltig zu verändern, dann entsteht eine große Hebelwirkung. Und so entsteht ein Momentum, dass sich positiv auf unsere Umwelt und die Wertschöpfungskette auswirkt. 

Beispiel Bio-Gurke in Folie: Warum müssen Obst und Gemüse überhaupt noch in Plastik verpackt verkauft werden?

Für uns gibt es zwei goldene Regeln: Frische und beste Qualität für den Kunden und dabei gleichzeitig möglichst wenig Food Waste. Vor allem in den kälteren Monaten führen wir unsere Gurken überwiegend ohne Folie. In der übrigen Zeit, den warmen Monaten, verliert die Gurke auf Grund des hohen Wasseranteils so schnell an Qualität, dass wir sie auf dem Transportweg und am Verkaufstag frisch halten müssen, um Lebensmittelverluste zu vermeiden. Grundsätzlich reduzieren wir bei unserem Obst und Gemüse die Verpackung, soweit es möglich ist. Denn es ist nicht zielführend, Obst und Gemüse mit hohen Wasser- und Energieaufwand zu erzeugen, um einen Großteil davon im Anschluss aufgrund gut gemeinter Verpackungsreduktion entsorgen zu müssen. 

Und wie wären kürzere Transportwege?

Grundsätzlich nehmen Regionalität beziehungsweise Produkte aus Deutschland und damit auch kürzere Transportwege den höchsten Stellenwert in der Sortimentsgestaltung ein. Uns ist aber auch wichtig, dass alle unsere 3.200 Filialen ausreichend Ware haben. Dazu setzen wir mit deutschen und ausländischen Produzenten auf langfristige Partnerschaften und Saisonplanungen. So können wir fast unabhängig vom Ergebnis der Ernte die Warenverfügbarkeit in jeder Saison sicherstellen. 

Gibt es Kunden, die trotz losem Obst und Gemüse verpacktes wählen?

Es gibt Kunden, die verpacktes Obst und Gemüse als hygienischer oder bequemer empfinden. 

Für alle, die weiter denken wollen: Was ist nun besser? Bio und Plastik oder Konventionell unverpackt?

Pauschal darf man das nicht beantworten, wie das Beispiel der Gurke zeigt. Auch wir bieten immer mehr loses Obst und Gemüse an – und da wo eine Verpackung zwingend nötig ist, arbeiten wir an deren Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit. 

Bis wann soll der gegangen sein?

Wir überprüfen oder passen ein Produkt nach dem andern an. Bananen mit Banderole statt komplett foliert zum Beispiel. 100 Prozent verpackungsfrei werden wir aber auf Grund der schon beschriebenen Qualitätseigenschaften nicht erreichen. Insgesamt haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 den Kunststoffeinsatz um mindestens 20 Prozent zu reduzieren und die Recyclingfähigkeit der Verpackungen aller Eigenmarken zu steigern. Damit leisten wir einen Beitrag zu REset Plastic – der Plastikstrategie der Schwarz Gruppe.

Was ihr erreicht sind gute Preise: Wieso könnt Ihr Obst und Gemüse in Bio-Qualität so viel günstiger anbieten, als Öko-Supermärkte, Hofläden und Co.?

Discount bedeutet: Verhältnismäßig kleines Sortiment bei großen Mengen. Dadurch ergeben sich bei uns natürlich viele Vorteile im Bereich Logistik, Lagerung und Filialprozessen – weniger Komplexität spart Kosten. 

Aber ist das beim Öko-Supermarkt nicht ähnlich?
Nein, wir sparen viele Zwischenschritte, weil wir viele Eigenmarken verkaufen. 

Und wenn wir nun bei euch im Laden unterwegs sind: Fördern wir nicht auch die Vermarktung von konventionell angebautem Obst und Gemüse, wenn wir bei Lidl Bio kaufen, anstatt ein eindeutiges Statement für ökologische Landwirtschaft zu setzen?

Mit jedem Bio-Produkt, das unsere Kunden bei Lidl kaufen, wird eine ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft gefördert. Wir bieten Lieferanten sichere, langjährige Absatzmöglichkeiten und ermutigen sie, von konventioneller auf Bio-Landwirtschaft oder sogar Bioland-Landwirtschaft umzustellen. Aber wir wollen unsere Kunden nicht bevormunden und ihnen die Wahl lassen, auch konventionelle Produkte zu kaufen. Unsere Aufgabe ist es, diese Produkte verantwortungsvoll und immer nachhaltiger einzukaufen. 

Liegt der Apfel aus Neuseeland also nur da, weil Kund*innen ihn wollen?

Wir haben dieses Jahr bis Ende Juni deutsche Äpfel angeboten, die im Vorjahr geerntet wurden. Natürlich bestimmt auch die Nachfrage das Angebot und so möchten wir auch in den Monaten unseren Kunden Äpfel anbieten, in welchen keine deutsche Ware mehr verfügbar ist. 

Macht importiertes Obst- und Gemüse nicht auch die gesamte nachhaltige Bemühung irgendwie zu Nichte? Oder kann man das relativieren?

Das kann man sicherlich teilweise relativieren. Für uns hat regionale und deutsche Ware absolute Priorität – aber natürlich pflegen wir auch unsere jahrelangen Partnerschaften mit Kooperativen und Landwirten in beispielsweise Spanien und Italien. 

Wenn wir auf Übersee-Ware zurückgreifen, dann vor allem bei Früchten, die in Europa nicht erzeugt werden können, wie Kiwis, Bananen oder Ananas. 

Nutzt ihr generell Schifffahrt statt Flugzeug für den Import?

Wir verzichten auf Flugware, wo es möglich ist. Es gibt aber Einzelfälle, in denen aufgrund des entstehenden Qualitätsverlusts bei einem wochenlangen Transport auf dem Schiff auf das Flugzeug zurückgegriffen wird. Generell importieren wir fast ausnahmslos via Containerschiffen. 

Was ist in Sachen CO2 Bilanz daran besser?

Die Menge die mit so einem Schiff bewegt wird, ist vielfach größer. Der Fußabdruck reduziert sich im Vergleich zum Flugzeug erheblich. Aber natürlich ist nichts besser als regional erzeugte Ware. 

Entsprechen all diese Nachhaltigkeits-Themen eher Deiner grünen Seele oder Deinem kaufmännischen Geschick?

(lacht) Das ist wohl eine Mischung aus beidem. Natürlich habe ich alleine schon durch die familiäre Prägung ein großes Interesse an Bio und Nachhaltigkeit und insgesamt viel Freude an solchen Entwicklungen. 

Aber klar ist: Wir im Einkauf bei Lidl sind ein kleines, aber dynamisches Team. Unser Anspruch ist jeden Tag besser zu werden und uns in einem ständigen Wettbewerb um die besten Konzepte zu befinden – gute Ideen treffen daher auf einen fruchtbaren Boden. Wenn das Ganze uns dann auch noch einen Wettbewerbsvorteil bietet und ökonomisch sinnvoll ist, sind wir blitzschnell in der Entscheidung und Umsetzung.  

Aber das könntest du ja auch für den bio-sozialen Öko-Laden an der Ecke machen. Warum im großen Stil?

Selbstverständlich – und das habe ich quasi fast 10 Jahre lang im väterlichen Betrieb auch getan.
Aber natürlich ist der Hebel, den wir aufgrund der Unternehmensgröße und den vielen Millionen Kunden haben, um ein Vielfaches größer. Nachhaltigkeitsthemen wie die Kooperation mit Bioland haben daher eine immense Auswirkung – insbesondere wenn wir eine Sogwirkung auf unsere Marktbegleiter erzeugen können und sich ein nachhaltigeres Handeln auf allen Ebenen zum neuen Standard entwickelt. 

Lässt sich Dein Vater davon auch überzeugen?

Als er 2010 erfuhr, dass ich meinen Werdegang im Einkauf bei Lidl fortsetze, war seine erste – nicht ganz ernst gemeinte – Reaktion, dass er mich enterbt (lacht)! Aber über die Jahre haben wir uns viel ausgetauscht, diskutiert und gemeinsam Themen eruiert. Immer mit dem Anspruch, tolle Ideen ins Große zu übertragen – oder auch ins Kleine herunterzubrechen. Dialog in alle Richtungen ist wichtig und öffnet Augen! Wir haben doch hoffentlich alle ein gemeinsames Ziel: Ökologische Landwirtschaft in Deutschland voranbringen. Das geht nur über relevante Mengen, für die Erzeuger*innen fair entlohnt werden. Gerade die Lidl-Bioland-Kooperation setzt hier völlig neue Maßstäbe. 

Herzlichen Dank!

Fotos: Marcus Werner 

Porträt: Lidl

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5 Kommentare

  1. Sehr interessant, vielen Dank für das gute Interview!

    Antworten
  2. Liebe Anna,

    vielen Dank für das interessante Interview ?. Es ist schön zu lesen, dass sich auch bei den Discountern in Richtung Abfallvermeidung etwas tut.

    Viele Grüße

    Anja

    Antworten
  3. Super Interview, danke ihr Lieben. Schön, dass es irgendwie so nah am Alltag dran ist.

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  4. Grad kurzer reality check im Lidl: da hängt das Polyester Netz zwischen all dem verpackten Obst und Gemüse und weit und breit nichts zum befüllen, ausser den im Interview erwähnten Bananen und die brauchen kein Netz.

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  5. Tolles Interview, vielen Dank!
    Die Vermeidung von Verpackungsmüll ist sicherlich ein wichtiges Thema, das nun endlich auch von großen Unternehmen wie Lidl angegangen wird. Schön wäre es, wenn auch die Lebensmittelverschwendung in Discountern noch weiter vermieden würde, z.B. mit den gesetzlichen Vorgaben zur Pflichtspende wie in Frankreich. Hier wäre es auch schön zu hören, was Lidl schon macht!

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