Sind Bananen die neue Baumwolle? – Wie QWSTION seine Materialien überdenkt

Mit der Omnipräsenz von Fast Fashion wächst auch die Aufmerksamkeit für umweltschädliche Praktiken und die Nachfrage nach nachhaltigeren Produkten steigt. Doch welche Möglichkeiten haben Produzenten überhaupt, alternativ zu der bisherigen Herstellung zu arbeiten? Wo steckt viel neues Potential – und wo gibt es Limits? Das Schweizer Label QWSTION ist an die Textilproduktion völlig neu herangegangen. Erstmals hat es aus der auf den Philippinen berühmten Bananenpflanze Abacá einen ganzen Stoff hergestellt. Und weil dieser sich offenbar wirklich gut als Textil eignet, hat QWSTION kürzlich die Kollektion Bananatex gelauncht – Rucksäcke und Taschen, ganz aus Banane! Wir haben den Rollpack der Reihe einem Berliner-Wintertest unterzogen (erfolgreich!) – und mit QWSTION Co-Founder und CEO Hannes Schoenegger, über Bananenpflanzen im Speziellen und Materialien im Allgemeinen gesprochen:

Vier lange Jahre habt Ihr an Eurem neuen Material gearbeitet. Am Ende dieses Prozesses steht Bananatex – was stand am Anfang?

Die Abacá-Faser und ihre großartigen Eigenschaften. Die Abacá ist eine Staude aus der Familie der Bananen und oft wird sie dafür verwendet, alte Palmölplantagen wieder aufzuforsten, weshalb sie besonders nachhaltig ist. Mit ihrer Hilfe kann dann wieder junger Regenwald wachsen. Abacá wird auch nicht angebaut, sondern wächst natürlich und sehr anspruchslos. Sie hat ziemlich starke Wurzeln und kann sich recht schnell verbreiten, ähnlich wie bei Himbeeren. Wenn die Staude groß genug ist, wird die Faser dann abgeerntet, und zwar nie die ganze Pflanze, sondern immer nur ein Teil von ihr. Der Rest der Abacá kann dann also weiterwachsen. Es ist ein sehr langwieriger Prozess, ehemalige Palmölmonokulturen aufzuforsten. Aber die Abacá ist dabei deshalb eine wichtige Hilfe, da sie die Erosion der Böden verhindert.

Welche Regionen können sich über die Abacá freuen?

Die, die wir nutzen, wachsen auf den Philippinen. Dort wurde die Staude auch schon verwendet, bevor wir mit ihr experimentiert haben: Aus der rohen Faser werden zum Beispiel Schiffstaue und Matten gefertigt und sie dient sogar als Basisstoff für die Papierherstellung, sodass man sehr hochwertiges Papier gewinnt. Sogar der japanische Yen-Schein hat Anteile dieser Faser. Es ist schon länger bekannt, dass die Abacá sehr robust ist. Unsere Innovation ist, dass wir mit ihr weiter experimentiert haben und ein technisches Gewebe fertigen konnten, was sich sogar ein wenig synthetisch anfühlt.

Wie kamt ihr von der Abacá zu Bananatex?

Im Fall von Bananatex stand erstmal die Frage im Raum: Gibt es eine Faser, ein Garn, das noch besser und nachhaltiger ist? Dabei muss in der Produktion dann unglaublich viel ausprobiert werden. Wie eng man das Garn spinnt, wie stark man es verwebt – und jedes Mal gibt es ein anderes Resultat. Wir haben Prototypen gebaut und ausprobiert, auf Reißfestigkeit getestet und darauf geachtet, wie die Oberfläche sich verhält, zum Beispiel in Bezug auf Abrieb. Auch die Frage der Wasserfestigkeit hat uns sehr lange beschäftigt, das konnten wir letztlich durch die Beschichtung mit Bienenwachs sehr gut gewährleisten. All das braucht Zeit. Man webt immer wieder einige Meter, macht Prototypen, testet diese im Alltag und verbessert den Stoff aufgrund der Erfahrungswerte.

Und welche Vor- und Nachteile hat Euer neues Gewebe?

Die Faser ist sehr robust, reißfest und widerstandsfähig. Da keinerlei Pestizide im Spiel sind, keine künstliche Bewässerung notwendig ist und die Bewirtschaftung vielen lokalen Bauern ein Einkommen garantiert ist der soziale und ökologische Fußabdruck unschlagbar. Bananatex hat das Potential, viele aktuell verwendete Textilien zu ersetzen. Der größte Nachteil liegt im etwas höheren Preis, weil eben viele Menschen und Arbeitsschritte involviert sind, im Gegensatz zu einer maschinellen Herstellung wie bei synthetischen Geweben.

Kommen wir also zum obligatorischen Price Point und der gängigen Kritik des hohen Preises an nachhaltigen Produkten: Was ist eure Position dazu?

Offen gesagt hatten wir bei dem Preis auch unsere Bedenken. Jetzt freuen wir uns aber sehr zu sehen, dass es für viele Kunden kein „Problem“ zu sein scheint. Leute, die das Produkt verstehen und denen nachhaltige Produktion etwas wert ist, sind bereit, für eine Tasche mehr auszugeben, anstatt sich in der „Fast Fashion“ Philosophie alle 3 Monate einen neuen Rucksack zu kaufen. Günstig ist am Ende ja doch teuer, beispielsweise durch aufwendige Umweltreinigungsmaßnahmen, wofür wir dann alle bezahlen.

Warum braucht es trotz des Preises unbedingt Innovationen wie Bananatex?

Über 90 Prozent aller Taschen, die man in den Städten sieht, sind aus Plastik, also aus Erdöl. Und der Anteil davon, der nicht recycelt wird, auch über 90 Prozent, wird verbrannt, deponiert oder landet im Meer. Diese Entwicklung kann nicht weitergehen, so denken wohl mittlerweile sehr viele. Egal an welchem Strand der Welt man Urlaub macht, man ist mit Plastikmüll konfrontiert! Die eigentliche Frage sollte doch lauten: Wie kann es sein, dass da nicht andere Leute in dem gleichen Maße darüber nachdenken wie wir?

Erfindungen wie Bananatex sind also die Zukunft der Textilproduktion?

Ich denke schon. Auf Fairfashion-Messen wie der Neonyt zum Beispiel sieht man, dass viele Leute und Firmen sich bemühen, Alternativen aus allen möglichen natürlichen Materialien zu erfinden und zu entwickeln. Dieser Prozess ist ja auch schon gestartet, das Bewusstsein wächst, das gibt Hoffnung.

Hinsichtlich der Zukunft der Textilindustrie: Plant ihr in absehbarer Zeit, auch vegane Produkte in die Bananatex-Reihe mitaufzunehmen? Ihr arbeitet sehr nachhaltig, aber bisher auch mit Wolle, Leder und Bienenwachs.

In unserer Wachsbeschichtung sind auch pflanzliche Anteile enthalten, aktuell funktioniert es aber am Besten durch die Zugabe von Bienenwachs. Auch so etwas hinterfragen wir ständig und suchen weiter nach Alternativen. Generell ist das bereits ein großes Thema, welches immer stärker diskutiert wird. Wir kommen zu dem Schluss, dass vegan oft nicht nachhaltig ist: Häufig bestehen vegane Produkte zu einem Teil aus Plastik. Wir finden, oftmals wird das zu wenig hinterfragt, weil ja das Label vegan drauf steht.

Gibt’s trotzdem Bestrebungen in die Richtung? 

Bisher haben wir noch nichts nachhaltiges gefunden, was unsere funktionellen Lederteile ersetzen kann, aber es gibt vielversprechende Forschungen. In einem Projekt in San Francisco versuchen Wissenschaftler zum Beispiel gerade, eine Lederalternative aus Pilz-Kulturen herzustellen. Das fertige Ergebnis ist wohl aber erst in zwei bis drei Jahren marktreif. Auch solche Recherchen müssen in Bewegung kommen: Vom Entwickler über das Label bis hin zum Kunden. Und es ist schön zu sehen, dass diese Bewegung sich ja auch zusehends beschleunigt!

Lieber Hannes, vielen Dank für das Gespräch.

Interview & Model: Mina Schmidt

Fotos: Marcus Werner

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