Warum dieser Artikel wichtig ist:
Plastik baut sich nicht von alleine ab: Ein Großteil dessen, was bisher weltweit hergestellt wurde, existiert irgendwo bis heute. Wenn wir endlich weniger Kunststoff produzieren und entsorgen wollen, müssen wir neue Wege gehen – und uns nach neuen, besseren Produkten umsehen.
Gutes Produkt, schickes Design, cooler Social-Media-Auftritt und eine Message, die den Zeitgeist trifft. Weil sie Sinn macht! Anna Souvignier und Sophie Zepnik haben alles, was ein erfolgreiches Start-up braucht. Gerade haben die beiden hejhej-mats gegründet. Und aktuell läuft die Crowdfunding-Kampagne für Yoga-Matten aus Müll. 1,5 Kilogramm Industrieabfall können für eine Matte eingespart werden. Dabei hat das Material am Ende alle guten Eigenschaften, die man sich als Yogi beim Üben so wünscht. Klar, dass wir gleich Fans geworden sind! Und auch klar, dass wir mehr wissen wollten. Mit Anna haben wir über den Weg zum Ziel, den Umgang mit Kritik und das closed-loop-Verfahren gesprochen, in dem die nachhaltige Alternative zur üblichen Matten-Variante entsteht. Here we go:

Liebe Anna, wie kam’s zu dem Aha-Effekt, der die Idee für hejhej-mats ins Rollen gebracht hat?
Während unserer Zeit in Schweden haben wir zusammen ein Museum in der Nähe von Göteborg besucht. In der Ausstellung ging es um nachhaltige Themen wie zum Beispiel die Erderwärmung. Und unter anderem wurden dort auch Yogis angeprangert, die oft davon ausgehen, einen nachhaltigen Lebensstil zu führen – aber dann doch nicht bis zu ihrer Matte denken. Sophie und ich haben uns ertappt gefühlt, denn auch unsere eigenen Yogamatten waren damals aus umweltschädlichem Plastik. Noch am gleichen Tag haben wir beide mit der Recherche nach nachhaltigen Alternativen begonnen – ohne zufrieden stellenden Erfolg. Es gibt zwar schon Modelle aus natürlichen Rohstoffen wie Kautschuk, allerdings werden für den Anbau in Asien Wälder abgeholzt, um Plantagen zu pflanzen. Aus unserem Studium waren wir bereits mit dem closed-loop Ansatz der Circular Economy vertraut. In unseren Augen bringt dieser das höchste Maß an Nachhaltigkeit bei der Produktion von etwas Neuem. Und so haben wir uns spontan dafür entschieden, Yogamatten nach dem closed-loop Prinzip zu designen.
Für alle, die’s vielleicht nicht so genau wissen: Was bedeutet closed-loop-Herstellung – und warum sollten wir die eigentlich sogar immer wollen?
Der closed-loop-Ansatz bedeutet, dass alle Produktions-Materialien in Kreisläufe fließen sollen. Das heißt, im Optimalfall werden für die Produktion von einem neuen Produkt Rohstoffe verwendet, die bereits existieren, nennen wir sie Müll, Abfall, Überbleibsel oder Reststoffe. Aus diesen Stoffen wird dann ein hochwertiges Produkt hergestellt, das möglichst lange halten soll. Irgendwann erreicht aber nun mal jedes Produkt das Ende seines Lebenszyklus. Hier kommt nun der wichtigste Punkt der Circular Economy zum Einsatz. Anstatt dieses Produkt einfach wegzuschmeißen und zu verschwenden, soll es so wieder verwertet werden, dass all seine Rohstoffe in die Produktion für neue Produkte fließen können. Wir sollten uns alle nach closed-loop-Produkten umschauen, denn sie werden oft hergestellt ohne dem Planeten etwas von seinen wertvollen Ressourcen zu entnehmen und sie tragen zur Müllvermeidung bei. Closed-loop-Produkte entlasten den Kunden bei der Verantwortung für die Entsorgung, da der Hersteller auch seinen Teil der Verantwortung übernimmt, indem er sicherstellt, dass die alten Komponenten wieder in neue Produktionskreisläufe fließen.
Ihr selbst nehmt Eure Matten also auch zurück, wenn der Besitzer sie irgendwann aussortiert hat?
Ja. Und dann sorgen wir dafür, dass deren Komponenten wieder in neue Produktionskreisläufe geführt werden. Dafür feilen wir gerade noch an den Feinschliffen für unser Rücknahmesystem und führen Tests durch. Dabei sollen auch die finanziellen Ressourcen aus der aktuellen Crowdfunding-Kampagne helfen.
Worum geht es Euch mit hejhej Mats am meisten: Keine neuen Ressourcen zu verbrauchen, Awareness für unser Müllproblem zu schaffen – oder könnt Ihr mit Euren Matten sogar einen kleinen Teil davon lösen?
In erster Linie ging es uns darum, eine wirklich umweltfreundliche Yogamatten-Alternative anzubieten. Mittlerweile finden wir es aber mindestens genauso wichtig, unsere Gesellschaft über das Müllproblem und nachhaltige Themen aufzuklären und weiter dafür zu sensibilisieren. Die meisten Menschen denken nämlich nicht darüber nach, was eigentlich mit ihren Dingen passiert, nachdem sie entsorgt wurden. Mit hejhej-mats können wir einen kleinen Beitrag zur Lösung unseres Müllproblem leisten, weil mit jedem verkauftem Modell die Nachfrage an Plastikmatten sinkt – und so weniger Plastikmüll produziert wird.

Woher genau kommt der Müll für Eure Matten?
Das ist so genannter Pre-Consumer Waste, sprich einwandfreie Rohstoffe, die bei einer anderen Produktion anfallen und die Fabrik noch nicht verlassen habe. Sie enden dann im Müll, da sie dort schlichtweg nicht weiter gebraucht werden. Für die Produktion unser Yogamatten können wir Schnittreste verwenden, die während der Schaumstoffproduktion anfallen. Schaumstoff wird in unheimlich vielen Industrien verwendet, wie zum Beispiel der Möbelindustrie. Momentan greifen wir auf die Schnittreste unserer familiär geführten Partner Fabrik in Deutschland zurück und entwickeln gemeinsam eine hochwertige Yogamatte.
Immer wieder werden Kritiker laut, die sagen, Re- oder Upcycling verbrauche zu viel Energie oder bringe eh nichts. Wie wie reagiert Ihr auf sowas?
Generell gibt es beim Re- und Upcycling immer ein gewisses CO2-Aufkommen. Wir denken aber gerade in die Zukunft – und da müssen Schnittreste und Müll einfach verwertet werden. Neuware bringt nur noch mehr Plastik auf die Erde und die natürlich Ressourcen hier sind nicht unendlich. Daher war es für uns keine Lösung Naturkautschuk aus Asien zu importieren, was übrigens auch CO2 verursacht. Prinzipiell ist unsere Einstellung, dass man Plastik vermeiden sollte, wo’s möglich ist – und wo es nicht anders geht Kunststoff recycelt. Das bedeutet, dass man beispielsweise To-Go-Kunststoffbecher für den Kaffee komplett vermeiden und einen eigenen wiederverwertbaren Becher nutzen sollte. Hier sehen wir Recycling-Einmal-Becher zum Beispiel nicht als die Lösung. Trotzdem finden wir aber Recyclingware prinzipiell besser als Neuware. Vor allem auf Social Media mussten wir tatsächlich schon selbst lernen, mit unsachlicher Kritik zu solchen Themen umzugehen. Wenn es sich nur um überflüssige Kommentare handelt, die keinen wirklichen Hintergrund besitzen, beachten wir diese gar nicht. Konstruktive Kritik, die sich wirklich mit unserem Produkt beschäftigt hat, nehmen wir aber gerne an! Denn sowas führt oft zu anregenden Diskussionen – und bringt einen dann sogar wirklich weiter. Unser Ziel ist es ja, ein möglichst nachhaltiges Produkt auf allen Ebenen herzustellen. Dafür sind wir für tolle Vorschläge, die uns dabei helfen unser Ziel zu erreichen, immer offen.

Generell wirkt Euer Business schon jetzt echt ausgereift. Wie viel Arbeit steckt bisher dahinter?
Der Tag des Museumsbesuchs, von dem ich am Anfang erzählt habe, war im November 2016. Seit diesem Tag arbeiten wir eigentlich jede freie Minute an der Verwirklichung von hejhej-mats. Erst noch während unseres Masters. Und seit dem wir den im Juli 2017 erfolgreich abgeschlossen haben, machen wir das Vollzeit. Natürlich gab es auch ab und an mal kleinere Zweifel – aber das ist das Gute daran, wenn man gemeinsam an der Verwirklichung einer Idee arbeitet und das gleiche Ziel vor Augen hat: Wir können uns gegenseitig immer super motivieren und bestärken.

Wie gut! Welche sind jetzt Eure nächsten Ziele?
Kurzfristig ist unser nächstes Ziel natürlich das erfolgreiche Abschließen der Crowdfunding-Kampagne, die noch bis zum 5. November läuft. Sobald wir die nötigen finanziellen Ressourcen haben, können wir unsere hejhej-mats perfektionieren und dann auch die erste Charge produzieren lassen. Wir hoffen, dass wir ab 2018 die Welt ein bisschen nachhaltiger gestalten können.
Das hoffen wir auch. Vielen Dank für das Gespräch, liebe Anna.

FOTOS: Anthony Wagemann // hejhej-mats
Andere Meinungen
[…] Anna und Sophie aka hejhej mats aktuell die Mittel für ihr zweites Produkt. Nach der super-coolen „Yogamatte aus Müll“ soll jetzt die passende Tasche auf den Markt kommen. Klar, das auch die hejhej-bag wieder […]
Schreibe einen Kommentar
Deine Mailadresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind mit * markiert.