WIE GEHT NACHHALTIGE WOLLE? EINE REISE MIT ARMEDANGELS NACH PATAGONIEN

Warum dieser Artikel wichtig ist:

Herkunft und Herstellung der Materialien machen in der Mode einen entscheidenden Unterschied. Nur wenn das Wohl von Mensch, Tier und Umwelt in der Produktionskette gesichert ist, entsteht echte eco-fair Fashion.

Wolle ist eines der nachhaltigsten Materialien, aus denen unsere Kleider überhaupt gemacht sein können. Es ist natürlich, atmungsaktiv und flexibel, spendet Wärme und leitet Hitze aus, muss kaum oder gar nicht gewaschen werden und baut sich, wenn Pulli oder Schal ausgetragen sind, einfach rückstandslos selber wieder ab. Super Sache! Wäre da nicht die Herstellung. Und die geschieht unter konventionellen Bedingungen fast immer zulasten des Tierwohls.

Um Geld zu sparen, werden Schafe nicht artgerecht gehalten, haben wenig Platz und Wasser. Beim schnellen Scheren entstehen oft Wunden, die nicht behandelt werden. Die Herstellung ist schlicht eine Industrie. Eine, die ethical Brands wie Armedangels natürlich nicht unterstützen wollen. Im Gegenteil! Das Kölner Label kämpft dagegen an – und zeigt Alternativen auf. Armedangels will „Woolwear to be proud of“. Und deren Entstehungsgeschichte beginnt am Ende der Welt: bei der Wollproduktion im wilden Patagonien, dem wenig besiedelten, südlichsten Ende Argentiniens. Dort, wo sich am Fuße eisblauer Gletscher schier endlose Weideflächen erstrecken, leben die Tiere, deren Pelz später zu eco-fairen Woll-Styles für Frauen und Männer wird.

Diese Schafe sind frei, bis auf die Schur, die nur einmal im Jahr stattfindet. Bedingungen, die Armedangels als tragbar empfindet – solange Vertreter der Brand sich regelmäßig davon überzeugen und zusammen mit den Menschen vor Ort immer weiter an der Optimierung der Prozesse arbeiten können. Nach einer Woche in Argentinien, bei den Schafen, Schäfern, Farmmanagern und Fabrikarbeitern, ist Armedangels-Brand Managerin Steffi Wolter seit Kurzem zurück in Köln. Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen vor Ort gesprochen:

Liebe Steffi, Wolle ist das einzige nicht vegane Material bei Armedangels. Warum wolltet Ihr das nicht ersetzen?

Weil wir nach eingehender Betrachtung aller Faktoren und auch aller Fasern, die wir im Moment zur Verfügung haben, immer noch der Meinung sind, dass Wolle immer noch eines der nachhaltigsten Materialien überhaupt ist. Sie ist von Natur aus atmungsaktiv, überschüssige Wärme wird absorbiert und ausgeleitet, wenn’s kalt ist hält Wolle wahnsinnig warm.

Und auch die Pflege ist ja total umweltschonend.

Ja, der Co2 Fußabdruck ist super! Denn Wolle muss man nicht waschen. Und wenn ein Teil dann wirklich mal ausgetragen ist, baut sie sich von alleine ab. Prinz Charles hat doch mal dieses Experiment gemacht und einen Polyester- und einen Wollpulli vergraben. Nach einem Jahr sah das Polyestermodell quasi aus wie vorher. Der aus Wolle hatte sich schon zu 70 Prozent zersetzt!

Nun geht’s bei Euch ja zuallererst Mal um die Herstellung. Und die hast Du dir gerade in Argentinien ganz genau angesehen. Was wolltest Du vor allem wissen?

Mein Hauptziel war es, wirklich selbst mittendrin zu sein. Unsere Sustainability Managerin Julia Kirschner ist ja letztes Jahr schon nach Patagonien gereist, um zu entscheiden, dass wir überhaupt mit Fuhrmann, dem Dienstleister vor Ort, zusammenarbeiten und als Partner in Sachen Wolle vertrauen können. Ich wollte jetzt noch einmal mit eigenen Augen sehen, was es wirklich bedeutet Organic Wool zu machen und wie die Standards sind. Dabei hat mich interessiert: Was bedeutet der Mensch in dieser Kette, was bedeutet das Tier in dieser Kette, was bedeutet sie Umwelt in dieser Kette – und wie spielen die drei Komponenten zusammen?

Wofür ist das als Brandmanagerin wichtig?

Das hat viel mit den Werten, dem Credo einer Marke zu tun. Armedangels hat sich auf die Fahnen geschrieben noch progressiver zu sein als manche andere nachhaltige Brands und wirklich zu sagen: Wir scheuen auch nicht die Auseinandersetzung, wenn die Dinge vielleicht doch noch nicht so weit sind, wie sie scheinen oder wenn’s Probleme in Prozessen gibt. Wenn man als nachhaltige Brand bestehen und glaubwürdig bleiben möchte, dann bedeutet das für uns auch immer wieder in die Diskussion zu gehen. Denn jeder Prozess ist sehr viel komplexer, als er es für einen konventionellen Hersteller und konventionelle Betriebsstrukturen wäre. Getreu dem Motto „Nothing To Hide“ gehen wir den Dingen auf die Spur.

Obwohl Ihr im Vergleich zu vielen anderen eco-fairen Brands ja ziemlich umfassend Siegel zertifiziert seid. Ist das nötig?

Ja. Es ist immer etwas anderes, wirklich selbst hinter die Kulissen zu gucken. In diesem Fall gibt zum Beispiel den KBT Standard, der in Argentinien die Voraussetzung ist, um Organic Wool zu produzieren. Den erfüllen wir natürlich völlig. Komplexer Weise setzt sich dieser Standard aber über die Landownership und weniger über das Tier zusammen. Unser Partner hat sich aber auf die Fahnen geschrieben, gerade das Thema Tierwohl nochmal besser anzugehen. Vom Schaf selber bis zur Verarbeitung wird dort in der Tat eine vertikale Transparenz geleistet, die uns wichtig ist.

Und die Du vor Ort auch nachvollziehen konntest?

Genau. Und die wir in Zukunft für uns und unsere Kunden bestenfalls auch noch weiter ausbauen wollen. Das Ziel ist es, auf mittlere Sicht sagen zu können: Genau von Schaf XY kommt die Wolle für diesen oder jenen Armedangels-Sweater. Noch ist das eher visionär gedacht – aber möglich. Und wir wollen es schaffen.

Gibt es Deiner Meinung nach darüber hinaus noch Optimierungsbedarf?

Durch die langjährige traditionelle Wollverarbeitung und den besagten KBT-Standard läuft das meiste wie wir es uns vorstellen, nur wenige Prozesse könnten noch besser werden. Dazu gehören Dinge wie das Kupieren der Schafs-Schwänze. Das passiert bei unseren Schafen leider noch. Und es ist auch wichtig, damit sich die Tiere nicht verkoten, wenn sie ein Jahr lang wild leben. Denn das wiederum erhöht ihr Krankheitsrisiko. Aktuell überprüfen wir trotzdem noch einmal die Notwendigkeit und testet ein neues Tool, um die Prozedur, wenn sie denn wirklich sein muss, noch stress- schmerzfreier zu gestalten.

Apropos gestalten: Wie gestaltet sich das Leben auf den Wollfarmen, mit denen Ihr zusammenarbeitet?

Ganz einfach – und wunderschön. Die Farmen sind wie kleine Dörfer, dort wohnen wenige Menschen, fernab der großen Städte mitten in der wilden Natur. Der nächste Supermarkt ist teilweise 100 Kilometer entfernt. Der Bildungsstandart ist niedrig. Dafür wissen alle, wie man selbst seine Nahrung anbaut. Es gäbe auch gar keine andere Möglichkeit!

Das Leben ist also noch ursprünglicher, oder? Findet auch deshalb in Patagonien eine besonders naturnahe, nachhaltige Wollproduktion statt?

Davon gehe ich aus, ja. Chemikalien gibt es kaum. Und hinzu kommen die schier unglaublichen Flächen! Eine Farm hat dort gerne Mal 75.000 Hektar, darauf stehen 30.000 Schafe. Jedes Tier hat also rund zwei Hektar Platz für sich. Da ergibt sich eine ganz andere Biodiversität.

Wodurch haben Dich die Menschen vor Ort am meisten beeindruckt?

Durch ihre Herzlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft. Und durch ihre Ruhe und den Respekt im Zusammenleben mit ihren Tieren. Die Schafe und die Schäferhunde sind weniger ein Job, als dass sie den Schäfern und Farmmanagern wirklich am Herzen liegen. Ein Farmmanager, bei dem wir übernachtet haben, hatte kurz vorher ein alleine gelassenes Lamm an der Straße gefunden. Das hat er dann bei sich im Haus groß gezogen. Trotzdem leben die Menschen natürlich auch von ihrer Arbeit, ernähren damit ganze Großfamilien – und entwickeln sich weiter. Auch in der Zusammenarbeit, die zunehmend mit neuer Education einhergeht.

Und welchen Weg geht die Wolle, wenn sie die Farmen einmal verlassen hat?

Die geht dann nach Trelew, das ist ein mittelgroßen Stadt südlich von Buenos Aires. Dort wird sie gewaschen, das Fett wird von der Wolle getrennt. Danach ist sie sauber – und nur noch halb so schwer. Dann wird die Wolle in einer Art Ziehmechanismus entwirrt, gekämmt und danach ist sie verarbeitungsfertig. Die Fabrik, in der das alles passiert, ist ähnlich aufgebaut, wie man es aus Deutschland kennt, nur eher kleiner. Dort arbeiten etwa 100 Leute, die weit über Mindestlohn bezahlt werden. Der Verdienst liegt bei 75 Prozent des argentinischen Höchstsatzes. Außerdem wird darauf Wert gelegt, dass die Angestellten auch versichert sind.

Habt Ihr Euch deswegen für Argentinien als Herstellerland entscheiden?

Ja, erstens wegen der Bedingungen für Mensch und Tier, die einfach stimmen. Zweitens wegen der Qualitätssicherung und weil wir einen Partner brauchen, mit dem wir auf lange Sicht auch wachsen könnten. Und nicht zuletzt – und auch da muss man ganz transparent sein – spielt für uns auch der Preis eine Rolle. Denn wir wollen in der besagt guten Qualität einen Cardigan anbieten können, der leistbar ist und eben nicht gleich 300 Euro kostet. Das ist uns wirklich wichtig, Denn wenn wir was bewegen wollen, dann in der Breite!

Welcher war für Dich der beeindruckendste Moment der Reise?

Auf dem Pferd Mitten im Land, das war atemberaubend, wie der Schäfer mit dem Hund und seinen Schafen gearbeitet hat. Unbeschreiblich! Auch die Natur. Wie in den Alpen und dann die Größe mal zehn. Ich wäre am liebsten da geblieben!

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Steffi!

FOTOS: Armedangels

VIDEO: Modest Department

Dieser Artikel erscheint aus Überzeugung – und mit freundlicher Unterstützung von Armedangels. 

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3 Kommentare

  1. Interessanter Artikel! Eines stimmt allerdings nicht: Wolle ist nicht das einzige nichtvegane Material bei Armedangels. Armedangels verwendet Knöpfe aus Perlmutt (von Muscheln aus nichtökologischer Zucht).

    Antworten
    • Hi liebe Astrid, vielen Dank für den Hinweis. Du hast Recht. Allerdings wird nur noch der Bestand verkauft – neu produziert werden die Teile mit den Knöpfen nicht mehr. Viele Grüße und happy Weekend, Marcus & Anna

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