DAS MINIMALISMUS-MISSVERSTÄNDNIS

Warum dieser Artikel wichtig ist

Minimalistischer zu Leben und weniger zu konsumieren, ist einer der wichtigsten Punkte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Alles Alte deswegen wegzuwerfen, kann diesen guten Ansatz jedoch schnell ins Gegenteil kehren.

Minimalismus hier, Minimalismus da. Immer mehr Menschen stellen fest, dass sie all das Zeug, dass ihre Kleiderschränke und Wohnungen verstopft, auch nicht wirklich glücklicher gemacht hat. Das ist eine wichtige Erkenntnis – und auch uns geht es so. Viele wollen am Liebsten gleich alles rauswerfen und direkt neu anfangen. Sie interpretieren den neuen Minimalismus damit, so wenig wie möglich zu besitzen. Das ist zwar im Ansatz richtig, schießt aber am Ziel vorbei. Schließlich beruht die Idee des Minimalismus vor allem auf der Reduktion von Konsum aufs Nötigste. Und nicht unbedingt auf dem Wegwerfen von Sachen, die man eh schon besitzt (auch wenn sie nerven).

Denn dieser Wegwerf-Minimalismus wirkt dem nachhaltigen Ansatz quasi direkt entgegen. Dabei geht es doch vor allem darum, Dinge so lange, wie möglich zu nutzen. Nur so können wir die ökologischen Herstellungskosten senken und den CO2-Fußabdruck auf eine möglichst große Zeitspanne verteilen.

Unser Ansatz bei Viertel \ Vor ist es daher, zum Beispiel unsere alten Klamotten wirklich so lange auszutragen, bis sie gar nicht mehr gehen (oder so richtig peinlich geworden sind). Deswegen sieht man uns auch heute oft noch in alten H&M Klamotten oder Nikes, statt in neuen Fairfashion-Brands. Wir haben einfach noch zu viele Altlasten, die wir zwar aus heutiger Sicht nicht mehr kaufen würden – die nun aber einmal da sind. So befinden sich bei mir im Kleiderschrank teilweise bis zu zwölf Jahre alte Sweater, die zwar nicht mehr wie von der Stange aussehen, aber zum Beispiel für die Arbeit im Garten oder im Haus absolut top sind.

Genauso geht es uns mit alten Sneakern. Wir werden wohl nicht mehr den Hype-Preis in Sachen Street-Credibility gewinnen, aber das ist uns mittlerweile auch egal. Wichtig ist doch, dass die Schuhe noch absolut tragbar sind, auch wenn sie jetzt schon ein paar Jahre im Regal stehen. So kommt’s dann sogar dazu, dass unsere alten Original-Modelle auf einmal wieder vom Trend-Spin eingeholt werden. Vor Kurzem wurde Anna trotz Konsumverzicht mit ihren zehn Jahre alten adidas Plateu-Gazellen zur Stylequeen der Saison. Very fresh!

Fakt ist: Wir alle brauchen irgendwann mal neue Klamotten, Schuhe oder Gebrauchsgegenstände. Wenn wir jetzt anfangen, alle alten Sachen wegzugeben, dann wird der Tag des Neukaufs nur umso schneller vor der Tür stehen – inklusive der neuen CO2-Rechnung für Herstellung und Transport. Die schon vorhandenen Sachen deswegen so lange zu nutzen, wie es geht, ist somit sehr viel nachhaltiger als jeder überinterpretierte Minimalismus.

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9 Kommentare

  1. Vollkommen richtig. Erfordert natürlich Disziplin und Verzicht/Widerstand, dem spontanten „Alles-Weniger-Und-Noch-Lieblingsstücke“-Impuls nicht zu folgen. Wegschmeißen geht aber natürlich gar, gar, gar nicht. Dazu gibt es immer eine Alternative! Das FairKaufhaus zum Beispiel holt Intaktes, nicht mehr Gewolltes sogar ab einer gewissen Menge zu Hause ab und findet neue Besitzer*innen für des einen „Müll“ (und beschäftigt von den Erlösen gleich noch Menschen). Frauenhäuser nehmen gerne Kosmetik und Bekleidung entgegen. Auf Kleiderkreisel, ebayKleinanzeigen und Co freuen sich viele über die Dinge, die ich nicht mehr sehen mag. Und ich wiederum finde dort Schätze, die für andere zur Last geworden sind. 🙂

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  2. Yeah! Genauso ist es.

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  3. deinem beitrag kann ich nur voll und ganz zustimmen!
    lg elfriede

    Antworten
  4. Toller Beitrag!
    Diese Gedanken hatte ich auch als ich mich mit dem Thema Minimalismus auseinander gesetzt habe. Weggeschmissen habe ich bisher aber noch nichts – und habe es auch nicht vor.
    Ich habe das Glück und wohne in einem Studentenwohnheim, wo ich meine Sachen in wenigen Stunden weitergeben konnte. Kleidung bin ich viel über Kleiderkreisel oder eBay losgeworden.
    Ich habe einfach festgestellt, dass ich die vielen Kleidungsstücke im Schrank einfach viel zu selten trage – was unglaublich schade ist.
    Sollte aber eines meiner – jetzt noch wenigen – Kleidungsstücke kaputt gehen, werden diese:
    1. so genäht, dass sie doch noch tragbar sind
    2. als Garten-/Renovierungskleidung eingesetzt oder
    3. zu Abschminkpads verwandelt

    Und die schönsten Teile in meinem Kleiderschrank sind momentan alle fair, aber trotzdem Second Hand.

    Liebe Grüße
    Laura

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  5. Ich kann auch Umsonstläden und Givebox empfehlen, für die Sachen die man selbst gar nicht mehr nutzt.

    Hier gilt der Grundsatz: Nur verschenken, was man einer guten Freundin auch anbieten würde! Kein Ramsch oder kaputtes Zeug.

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  6. Absolut! Finde ich einen ganz wichtigen Gedanken.
    Überhaupt finde ich es schwierig, dass Minimalismus so zum Trend wurde – und dabei bin ich mir absolut bewusst, dass ein Teil meiner minimalistischen Einstellung genauso diesem Trend unterliegt. Seit einigen Jahren befreie ich mich z.B. von alten Klamotten und gebe sie weiter. Aber es geht ja auch darum, nicht wieder langsam Neues anzuhäufen, sodass man dann den nächsten „Befreiungsschlag“ braucht.
    Der Weg zum nachhaltigen Leben ist eben ein Prozess. In manche Aspekte geht man mit Vollgas, andere entwickeln sich langsam, in wieder anderen braucht man ab und an einen Schritt zurück. Und manchmal, nicht oft aber hin und wieder, braucht man auch ein bisschen Nachsicht mit sich selbst ;).

    LG Vera

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  7. Stimme dem auch voll zu. Bei mir hängen auch noch 10 Jahre alte Sweater und alte H&M -Hosen im Schrank und alles was ich losgeworden bin wurde verschenkt, gespendet oder auf dem Flohmarkt verkauft. Der Rest wurde recycelt.
    Und ja es stimmt, wer zu schnell Sachen los wird muss wohl ganz bald einige Dinge wieder anschaffen. Minimalismus sollte im Allgemeinen als langsamer Prozess gesehen werden.
    Grüße!

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  8. jawoll!!!
    danke für diesen artikel! dieser *wegwerf-minimalismus* ärgert mich schon lange, auch nachhaltiger konsum ist immer noch konsum……
    leider sind die menschen so auf KAUFEN getrimmt, dass sie sich gar nicht vorstellen können, NIX zu kaufen ausser den nötigsten lebensmitteln & toilettenatikeln. in unserer gesellschaft existiert man quasi nicht wenn man nicht konsumiert.
    xx

    Antworten
  9. den Beitrag kann ich voll und ganz unterschreiben 😉
    ich halte auch überhaupt nichts von Minimalismus
    ich bin Sammler ..hihi..
    und was ich habe das behalte ich erst mal..
    ich kaufe auch nicht neu ..
    ich habe z.B. nur 2 Paar Schuhe ..ein Paar trage ich jeden Tag bis es kaputt ist
    die anderen sind für „gut“
    meine Blusen und Pullis sind zum Teil 20 und mehr Jahre alt..
    (allerdings müsste ich etwas abnehmen 😉 )
    was gar nicht mehr passt kommt zum Sozialkaufhaus
    Möbel sind alt aber ausreichend
    eine neue Küche würde mir vielleicht auch gefallen..aber sie kann nicht mehr als die alte 😉
    und das Geld dazu habe ich auch nicht
    ich kaufe wirklich nur Lebensmittel..
    und ein paar Kleinigkeiten die der Seele gut tun
    liebe Grüße
    Rosi

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