Warum dieser Artikel wichtig ist:
Weil sie nicht der Norm entsprechen, wandern jährlich Millionen Tonnen Obst und Gemüse in den Müll. Weitere Agrarprodukte bleiben von vornherein achtlos auf den Feldern liegen. Eine bodenlose Verschwendung, die aufhören könnte, wenn wir alle ein bisschen weniger oberflächlich wären.
Hey, super Idee: Aussehen ist ab jetzt wichtiger als Geschmack. Deswegen lassen wir am Besten nur noch genormtes Obst und Gemüse in die Läden. Den Rest können wir ja dann verzehrbereit gleich tonnenweise in die Tonne kloppen. Scheiß auf die Kohle, die Mühe, die Arbeitskraft und die Wochen beziehungsweise Monate Produktionszeit. Egal, wie gesund, egal wie frisch: Was sich nicht anpasst, hat als natürlich gewachsenes Produkt doch sicher eh keine Chance beim Kunden.
Say whatt?!
Die gängigen Schönheitsideale, nach denen entschieden wird, welcher Apfel und welches Möhrchen es in unsere Supermärkte schafft, sind härter als die Berghain-Tür für Touristen. Und so wandern jährlich mehrere Millionen Tonnen Lebensmittel auf den Müll, etwa die Hälfte davon sind Obst und Gemüse. Weitere Agrarprodukte bleiben von vornherein achtlos auf den Feldern liegen. Dazu gehören etwa Zucchini, die ein paar Zentimeter zu lang oder zu kurz sind, krumme Birnen, zu süßen Herzchen zusammen gewachsene Erdbeeren, Zwillingsrüben und Tomaten unter 30 Millimeter Durchmesser.

Puh! Ganz schön viel Dekadenz und Oberflächlichkeit für eine Gesellschaft, die doch (zum Glück!) im Allgemeinen recht großen Wert auf die Individualität des Einzelnen legt. Zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn? Oder am Ende auch noch: falscher Farbton? Danach fragt doch kein Mensch mit Verstand! So verschieden, so bunt und so voller Makel, wie wir selbst, kann sehr gern auch unser Essen sein. Das Eine ist uns schließlich schon seit alten Poesie-Album- und Teenie-Schwärmerei-Zeiten klar: Auf die inneren Werte kommt es an.
Wir wollen unser Obst und Gemüse frisch und natürlich und wir wollen, dass es schmeckt! Süß oder saftig ist da von Interesse. Nicht krumm oder schief. Da könnten die Märkte jetzt wirklich endlich mal weiter ansetzen – und die zunehmend realistischen Ansprüche der Konsumenten an die Hersteller weitergeben.
So wie jüngst der Discounter Aldi Süd, der damit für uns direkt einen Extra-Punkt mit Sternchen auf der Viertel \ Vor-Beliebtheitsscala der konventionellen Discounter bekommt. Unter dem nicen Namen „Krumme Dinger“ bietet Aldi Süd künftig auch Ware der so genannten Obst- und Gemüse-Klasse II an. Karotten mit optischen Makeln gibt’s seit Ende August, Ende September sollen ungenormte Äpfel folgen.
Dass das Konzept funktionieren kann, beweist der Discounter Penny, der schon 2016 erstes „krummes Gemüse“ in sein Sortiment aufgenommen hatte. Bilanz nach einem Jahr: läuft. Jüngst wurde das ungenormte Sortiment von 13 auf aktuell 21 Sorten aufgestockt, inklusive regionaler und saisonaler Artikel. Offensichtlich ist einiges möglich!
Also, liebe andere Supermärkte, Märkte und Tanteemmaläden: Macht Euch endlich locker! Gebt uns alles! Auch den krummen Rettich, das Riesen-Radieschen und den Apfel, dessen Schale mehr Gelb ist als Rot. SO oberflächlich sind wir Verbraucher doch gar nicht!
FOTOS: Marcus Werner
Andere Meinungen
[…] Tipp: Auch und gerade „hässliches“ Obst und Gemüse kaufen, legal Lebensmittel retten – zum Beispiel über die App „To Good To Go“, gezielter für Zuhause einkaufen, nicht vergessen, dass viele Produkte noch Tage bis Wochen nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum absolut gut sind. […]
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