JUST SWAP IT: DIESER COOLE KAFFEE-BECHER FUNKTIONIERT WIE EINE PFANDFLASCHE

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Fakt ist:  

* Einwegbecher zum Mitnehmen sind von innen mit Kunststoff beschichtet – und deshalb kein Papier- sondern Plastikmüll

* Plastik vergeht nicht. Nur gut 40 Prozent des Abfalls aus Plastik wird recycelt. Der Rest landet auf Müllkippen oder im Meer

* Allein in Berlin landen jeden Tag mehr als 460.000 und jedes Jahr rund 170 Millionen To-Go-Becher im Müll – Tendenz steigend

* Deutschlandweit sind es rund 2,8 Milliarden Einwegbecher pro Jahr

* Zur Veranschaulichung: Mit dieser Anzahl könnte man jeden Tag eine Becherschlange von Berlin nach Venedig legen

* Aus Angst vor Umsatzeinbußen gibt es trotz dieses immensen Müllbergs kaum noch Cafés oder Bäckereien, die keinen Kaffee zum Mitnehmen anbieten

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Zum Glück haben zwei kluge Menschen Just Swap It erfunden! Das sind schick und schlicht designte Mehrwegbecher zum Mitnehmen, die nicht gekauft werden müssen, sondern gegen 4 Euro Sicherheit ausgeliehen werden können. Das System funktioniert quasi genau wie die Pfandflasche. Mit dem Unterschied, dass es (bisher!) noch nicht so weit verbreitet ist.

 Aktuell läuft die Just Swap It-Pilotphase mit fünf Test-Cafés in Berlin Kreuzberg und Neukölln. Und natürlich mit To-Go-Gästen, die ihre Heißgetränke gern mitnehmen aber nicht so viel Müll produzieren wollen. Wie’s dazu kam und wie’s bisher läuft? Wir haben die Just Swap It-Initiatoren Ulrike Gottschau und Clemens Pech in unserem Berliner Stamm-Café, dem schönen Espera auf der Sonnenallee, getroffen – und nachgefragt:

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Ihr Lieben, was hat euch dazu bewegt, wirklich etwas zu tun?

Ulrike: Das ist einfach hier beim Spazieren gehen und Kaffee trinken im Kiez passiert. Mir ist aufgefallen, wie viele Leute sich einen Kaffee To Go kaufen – und sich damit dann einfach direkt vors Café setzen. Das fand ich dermaßen strange! Und irgendwie nicht ok. Deshalb habe ich damit angefangen, mich mal mit ein paar Zahlen zu beschäftigen. Die haben mich echt geschockt! Und ich hab’ mich gefragt: Warum gibt es denn keine Alternative – oder zumindest eine Wahlmöglichkeit für Leute, die mitnehmen aber nicht immer so viel Müll produzieren wollen.

Was ist mit Mehrwegbechern zum Behalten?

U: Da gibt es viele, klar! Leider sind die meisten eher teuer. Und man muss sie eben immer dabei haben. Das nervt viele. Mit unserem Pfandsystem wollen wir so nah wie möglich an dem jetzigen To-Go-Prinzip bleiben. Heißt: Der Kunde kauft seinen Kaffee im Becher, behält den ungefähr so lange, bis er ausgetrunken hat – und kann ihn dann unausgewaschen zurückgeben. Nicht zwangsläufig dort, wo er ihn gekauft hat. Sondern auch in anderen Cafés. Dort bekommt man dann sein Pfandgeld zurück.

Clemens: Man könnte den Becher auch weiter bei sich tragen – aber es hat ja nicht jeder’ne Tasche. Und man läuft weniger Gefahr, den Becher zu hause zu vergessen.

U: Das kann natürlich auch passieren. Aber dann leiht man sich im Zweifel eben einen Neuen und gibt später beide zurück.

Euren Leihbecher gibt es in zwei Größen. Wie habt ihr ihn entwickelt?

C: Das Design ist bewusst sehr schlicht gehalten – und es ist von Ulrike.

U: Ich wollte, dass die Becher gut aussehen, dass man sie auch wirklich gerne mit sich rum trägt. Schlicht – und ohne Werbung drauf! Das wäre natürlich auch eine Option gewesen. Aber wer will schon Reklame laufen? Wir wollten da lieber unabhängig bleiben.

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Aktuell befindet ihr euch mitten in der Testphase. Gibt’s schon Feedback von den Cafés?

U: Ein bisschen. Die Baristas haben durchaus das Gefühl, da tut sich was. Und wir mussten bereits mehrmals Becher nachliefern. Gleichzeitig muss man den Leuten aber auch Zeit geben. Es ist was Neues. Und da müssen wir uns ja oft erst mal dran gewöhnen.

Und Kritik von Café-Kunden?

U: Nur, dass das Gummi über dem Deckel noch nicht fest genug ist, dass man den Becher auch mit einer Lache unten drin umkippen könnte. Da arbeiten wir gerade dran! Wir denken es ist gut, erst mal mit einem unperfekten Produkt auf den Markt zu gehen, zu schauen wie das System funktioniert – und wie man es verbessern kann. Ich hoffe das verzeihen uns unsere Tester!

C: Bestimmt. So ist ja auch die Idee.

Die Leute freuen sich doch auch meistens, wenn sie mit entscheiden können!

C: Eben.

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Apropos entscheiden: Seid ihr für ein Verbot von To-Go-Bechern?

C: Für ein Verbot vielleicht nicht, aber eine Besteuerung wäre nicht schlecht. Weil Milchprodukte ja nur mit 7 Prozent besteuert werden, ist ja so ein Latte Macchiato zum Beispiel dann auch nur so gering besteuert – auch zum Mitnehmen.

U: Und höher besteuern würde schon sinn machen. Sobald’s ans Portemonnaie geht, denken die Menschen auch ein Stück weit mehr nach.

Ist eure Rolle da vielleicht auch, der Politik einen gewissen Anlass zu bieten?

U: Wir sind im Gespräch mit Vertretern der Politik. Die entsprechenden Leute wissen, dass es uns gibt und über die Deutsche Umwelt Hilfe (DUH) sind wir auch in einer Gesprächsgruppe zum Thema. Aber wir gehen gar nicht davon aus, dass da in den nächsten Jahren konkret was passiert.

C: Das ist mit den Mehrwegbechern wahrscheinlich ähnlich wie bei den Plastiktüten. Das wird dauern! Und auch bei den To Go Bechern ist eher nicht mit einer deutschlandweiten Lösung zu rechnen. Da wird sich eher regional vorgetastet werden. In kleinen Städten oder Kommunen ist es vielleicht sogar noch einfacher, weil da nicht so viele Leute mitdiskutieren müssen.

Warum denken die Leute wohl generell so wenig über den ganzen Müll nach, der durch die To-Go-Kultur entsteht?

U: Weil es immer noch zu wenig Aufklärung gibt. Und genau das ist das Ding: Ich wünsche mir, dass wir’s ein bisschen schaffen, da für mehr Info und Aufmerksamkeit zu sorgen. Aber eben ohne den erhobenen Zeigefinger. Wir wollen was cooles anderes bieten, ein Produkt, das Spaß macht.

Haltet Ihr die Baristas dazu an, Eure Becher aktiv als Alternative zu den Einmalbechern anzubieten?

C: Bisher noch nicht. Im Zweiten Schritt soll das aber durchaus auch aktiv passieren.

Welche sind Eure Zunkunftsziele?

C: Ein flächendeckendes Pfandsystem für Kaffee-To-Go-Becher. Wir denken da groß! Grundsätzlich sollte dieses Projekt auf jeden Fall skalierbar sein!

U: Und dazu vernetzen wir uns auch bewusst. Es gibt ja viele Städte in Deutschland, die eine ähnliche Cafédichte – und damit auch ähnliche Abfallprobleme haben wie Berlin.

C: Außerdem möchten wir auch geschlossene Systeme wie Universitäten oder Unternehmen, bedienen. Und Bäckereien, die in Deutschland immer noch den meisten Kaffee zum Mitnehmen verkaufen. Wir denken auch über Leergutautomaten in Supermärkten nach, die für die Rücknahme der Becher genutzt werden können. Ein erster Test hat beim Coffee Festival bereits gut funktioniert.

Ihr recherchiert viel, vernetzt Euch mit Institutionen wie der DUH. Haltet ihr es für wichtig, nachhaltige beziehungsweise ökologische Themen auch wirklich mit Infos und einem fundierten Background zu füllen, statt möglichst schnell einem gewissen grünen Trend zu folgen?

U: Das Wichtigste ist immer, die Leute an einen Tisch zu kriegen und Dinge zu besprechen. Ich fände es nicht gut, wenn tausend kleine Sachen passieren. Gemeinsam an einem großen Ziel zu arbeiten und sich dafür zusammen zu tun halte ich für besser, als nur sein eigenes Ding zu machen.

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Unser Fazit: Just Swap it ist die beste grüne Idee seit Langem! Wir drücken die Daumen, dass sich das Prinzip durchsetzt – und dass mittelfristig auch auf politischer Ebene eine Entscheidung getroffen wird. Gegen zu viel unnötigen To-Go-Müll. 

Unsere Bitte: Liebe Berliner, werdet Piloten! Testet die Becher – und nehmt auch an der entsprechenden Umfrage teil. Dauert online ungefähr eine Minute. Yeah!

 

FOTOS: Marcus Werner

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Bei unserem letzten Umzug haben wir mindestens 20 Pappkartons gekauft, vollgestopft bis sie fast platzten, alles weggeschleppt und wieder ausgepackt.

3 Kommentare

  1. Nice. Welche Cafés nehmen teil? Danke ???

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  2. Eine wunderbare Idee 🙂

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Andere Meinungen

  1. […] gelernte Produkt, sind Pfandbecher. Wir lieben die Idee, die in Berlin schon die klugen Köpfe von Just Swap It hatten. Und natürlich gibt’s auch in Annas Heimat und heimlichen Lieblingsstadt Hamburg […]

  2. […] so wenig wie möglich Plastik zu verbrauchen. Verpackungsfreie Supermärkte, lokale Wochenmärkte, To-Stay statt To-Go-Becher, Jutebeutel statt Plastiktüte – das alles sind kleine aber große Schritte, um seinen […]

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