Kids, ich bin drin. Folgt Anna Schunck @viertelvormag. Auf Clubhouse, wo sonst? Gefühlt über Nacht wurde die Social Media-App diese Woche zum Online-Hype der Stunde. Und fast jede*r hört zu – oder gefühlt nie wieder auf zu diskutieren. Betonung hier natürlich auf fast. Schließlich schließt die App aktuell alle Nicht-IPhone-User*innen und generell alle ohne Einladung aus. Von heute auf morgen gibt’s also ein neues Gefühl von Mangel für die einen und ein neues Gefühl von Abhängigkeit für die anderen. Und für uns, die wir natürlich längst drin sitzen im Vereinsheim der selbsternannten Internet-Elite, gibt’s noch eine erste Erkenntnis obendrauf: Wir dachten wir wären weiter.
Das mag idealistisch sein oder sogar naiv. Whatever! Fakt ist, die grünen Bubbles, in denen wir sicher auch nicht ganz alleine stecken, sind offenbar noch enger, als erwartet. Kaum ein Talk zum Thema Nachhaltigkeit, der nicht auch das Wort Konsum oder Brand oder Advertising oder Scalierung im Titel trägt. Kaum ein entsprechendes Gespräch ohne die Erklärung, dass es jetzt vor allem darum ginge „Dinge zu kaufen, mit denen wir uns wohl fühlen“ (auch von Vertreter*innen eco-fairer Brands) und dass Nachhaltigkeit in der Breiten Masse nicht nur angekommen sei sondern auch längst gelebt würde (von Konzern-chef*innen, Agentur-Leuten und Politiker*innen).
Schön wär’s! Übrigens auch, wenn da mal mehr Menschen markig widersprechen würden. Passiert’s, fehlt uns der Applaus-Button – und passiert’s nicht, dann fehlte uns bisher wahrscheinlich selbst die Reaktionsfreude. Oder zugegebenermaßen das App-Now How. Wie meldet man sich nochmal gleich zu Wort? Wir wünschen uns zumindest sehr, dass es das Clubhouse nicht nur über das aktuelle Überangebot an Wachstum und Optimierung hinaus schafft, sondern auch über seinen Ruf als „viel zu brav“.
Letzterer wird dem Potenzial der App nämlich wirklich nicht gerecht. Klar läuft eine Debatte im adrett aufgeräumten Clubhouse bisher meist sehr viel höflicher ab, als beispielsweise bei Twitter. Schließlich können heikle Thesen schon vorm Shitstorm schnell noch abgeschwächt, absichtliche Missverständnisse unverzögert aufgeklärt werden. Gleichzeitig offenbart sich im Audio-Verein doch eigentlich knallhart – und das ist unser Learning Nummer zwei – wer wirklich was zu sagen hat. Und wer nicht. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind darüber hinaus auch noch, wo wir vielleicht höchstselbst Buzzwords und Plattitüden aufgesessen sind.
Unbeeindruckt von der Kraft des Bildes sind wir ganz anders da. Und unabgelenkt von Ausdruck, Aussehen, Outfit und Umgebung nehmen wir ganz anders auf was jemand sagt. Wie er es sagt. Und wann. Natürlich treffen wir in der App ein Überangebot an Expert*innen, die keine sind und darüber hinaus eine geradezu verstörende Menge an Menschen, die sich selbst bedenkenlos als „Highperformer“ bezeichnet. Wir sagen trotzdem danke. Oder gerade deswegen. Denn alle diese Leute offenbaren sich und offenbaren uns einen Einblick in ihre Welten und Gedankenwelten. Einen, den wir so auf anderen Plattformen noch nicht bekommen haben. Im Clubhouse gibt’s keine Bedenkzeit, keinen, der Freigibt oder nochmal drüber liest. Gut so!
Denn das kann nicht nur entlarvend sein, sondern, Learning Nummer drei: kann Riesen-spaß machen. Was in den meisten Lebenssituationen gilt, gilt nämlich am Ende auch hier. Find the fun in it! Auch wenn einige zunächst eingeschüchtert sind, von den über 1000 Zuhörer*innen in vielen Clubhouse-Räumen, von A-Promis und Politiker*innen aus aller Welt – Social Audio, das uns ja schon seit einiger Zeit vom Silicon Valley aus als das nächstes großes Ding vorhergesagt wird, kann und darf auch einfach eine spontane, leichte, nahbare Alternative zum Podcast sein. Oder zum Smalltalk auf einer Party, den viele im Lockdown langsam vermissen. Wer ein bisschen Nähe zulässt und Wissen rein gibt, kann viel zurück bekommen. Und wer sich traut, kann ja auch einfach mal ein bisschen verbal randalieren im Vereinsheim.
Als erster Schritt zum Enfant Terrible reicht’s übrigens vielleicht schon aus, gezielt ein paar Einladungen an Leute zu verschicken, die sonst eher keine bekommen würden. Uns persönlich interessiert der Input von Tante Ilse genauso wie der vom Taubenzüchter aus dem Nachbardorf und vor allem der von Leuten, die bisher uninteressiert oder kritisch gegenüber unseren Ideen von Klima- und Ressourcenschutz sind.
Wie wir dabei mit indiskutablen Meinungen umgehen und wer bestimmt was indiskutabel ist? Das sind Fragen, die wir dabei sicher trotzdem weiter stellen müssen. Im Zweifel sind wir aber gegen verschlossene Türen und gegen gesellschaftlich relevante Themen, die ohne ein breites Spektrum an Vertreter*innen dieser Gesellschaft besprochen werden.
Lasst uns die App vom elitären Club also eher zu einer Art Großraumdisse machen, bei der allen Feiernden klar ist, dass die Betreiber*inne durchaus auch zweilichtig sein könnten (Clubhouse? Daten? Was‘ da los?). Lasst uns daran glauben, dass bald mehr Menschen mitmachen dürfen, Barrieren wie falsche Endgeräte oder fehlender Zugang für Gehörlose abgebaut werden und endlich mal wieder’ne kleine Party machen! Mit zu vielen Dancefloors auf denen wir dann auch mal zu Zweitewahl-Musik tanzen. Wir finden schon alle noch die dunkle Ecke, die Restroom-Tuschelei und den DJ, der wirklich zu uns passt. Und wenn nicht? Dann gehen wir halt einfach nochmal draußen spazieren.
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