Warum Klimawissenschaftlerin Friederike Otto noch Hoffnung hat

Friederike Otto weiß, wann das Wetter schon Klimawandel ist. Sie arbeitet als Professorin an der Universität Oxford und gilt als eine der führenden Klimawissenschaftlerin weltweit. Ihr Buch „Wütendes Wetter“ liegt auf unserem Lesestapel ganz oben. Wir haben Friederike bei der Q-Berlin Konferenz zum Interview getroffen:

Wie geht es Dir als Klimawissenschaftlerin 2019?

Wir wissen seit mehr als 30 Jahren, dass es den Klimawandel gibt, und sehen heute, dass alles was seit damals über den globalen Temperaturanstieg projiziert wurde, genauso eingetroffen ist. Ja, wir haben sehr viel Zeit verschlafen, was extrem frustrierend ist. Aber auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht, ist in den letzten Jahren doch sehr viel passiert. Für jeden einzelnen Menschen ist der Klimawandel auf der Prioritätenliste viel weiter nach oben gerutscht. Jede Partei muss mittlerweile ein Klimaprogramm haben. Das reicht zwar bei vielen noch lange nicht, aber ist der erste wichtige Schritt. Das macht mich optimistisch.

Das ist ja schön zu hören. Wir sind tatsächlich eher pessimistisch, da effektives Handeln in der Politik ja eigentlich anders aussieht?

Natürlich. Was die Bundesregierung gerade mit ihrem Klimaprogramm gemacht hat, ist erschreckend wenig. Und das, obwohl Umfragen zeigen, dass der Großteil der Bevölkerung mehr möchte. Ich denke, das ist eine Generationenfrage. Aber dieser Wechsel findet gerade statt. Auch bei uns Wissenschaftlern. Der letzte 1,5 Grad Bericht vom Weltklimarat, war inhaltlich ähnlich wie vorher, aber er wurde anders dargestellt. Die Wissenschaftler sehen es mittlerweile vielmehr als ihre Aufgabe an, die Erkenntnisse direkt in die Öffentlichkeit und Politik zu tragen. 

War das früher anders?

Ja. Früher war das Selbstverständnis eher, dass die Wissenschaft objektiv ist. Wir stellen die Fakten und Zahlen dar und andere machen was draus. Heute hat auch der letzte Wissenschaftler begriffen, dass nur die Fakten nicht mehr ausreichen. Man muss sie auch so formulieren, dass sie verstanden werden und in den aktuellen Diskurs rein passen. Die große Berichterstattung über den aktuellen Bericht gibt dem Recht. 

Hast Du so eine Art neue Hoffnung dadurch?

Ich würde sagen, ich bin immer hoffnungslos optimistisch. 

Wir mögen Deinen Optimismus. Aber ist der Zeitdruck denn nicht viel zu groß, um das Ruder noch rumzureißen?

Beim Klimawandel wird ja nicht plötzlich ein Schalter umgekippt und dann ist alles zu Ende. Der Klimawandel geht Schritt für Schritt. Das große Problem dabei ist, dass diejenigen, die ihn am wenigsten verantwortet haben, am Meisten dafür bezahlen werden. Für die Schäden von Extremwetterereignissen zahlt ja nicht ExxonMobile, sondern diejenigen am unteren Ende der Gesellschaft, die am wenigsten Geld und Information haben. Deswegen ist der Klimawandel ein soziales Problem und verstärkt soziale Ungleichheiten. Durch die daraus folgenden sozialen Konflikte werden wir den Klimawandel vor allem zu spüren bekommen. Aber es ist ja nicht so, dass plötzlich die Welt untergeht. 

Aber sind die Kipppunkte nicht auch für die Wissenschaft unberechenbar und dann könnte es doch auf einmal ganz schnell gehen?

Die Kippelemente sind ein großes Risiko. Aber auch die, die man kennt sorgen nicht dafür, dass die Welt direkt untergeht. Die verstärken die Folgen des Klimawandels. Wir wissen auch nicht, ob die schon angefangen haben zu kippen. Wir wissen nur, dass der ganze Prozess graduell ist, das heißt es ist nicht spät.

Wie kann man denn als Einzelner nun was gegen den Klimawandel tun?

Was mich im Moment sehr frustriert, ist, dass es in der Diskussion um den Klimawandel ganz viel um individuelle Handlungen, zum Beispiel #flugscham und so weiter geht. Natürlich ist das ein Teil des Problems. Aber die Emissionen von Flügen betragen weltweit zwei Prozent. Wenn wir die Diskussion auf individuelle Handlungen fokussieren, dann reden wir eben nicht darüber, was das eigentlich Problem ist. Und das Problem ist, dass unser gesamtes globales System auf dem Verbrennen von fossilen Brennstoffen aufgebaut ist. Das heißt unsere gesamte Infrastruktur, die Häuser die wir bauen, wie wir heizen, der Verkehr. Solange das nicht geändert wird, kann man noch so wenig fliegen, aber damit ändert sich das Problem nicht. Vor allem werden damit diejenigen die am meisten dazu beitragen könnten, das zu verändern, nämlich die großen Konzerne, nicht mit in die Lösung eingebunden.

Aber kann man denn so ein großes System überhaupt in der uns bleibenden Zeit verändern? Oder ist die Macht dahinter nicht viel zu groß, an dieser alten fossilen Welt festzuhalten?

Ich seh auch da Veränderungen in eine gute Richtung. Trotzdem kann jeder einzelne auch hier den Druck erhöhen, dass die alten Energiekonzerne ihre Businessmodelle umstellen. 

Wie können wir das genau machen?

Zum Beispiel durch eine Veränderung der Finanzströme via Divestment. Studenten können ihre Universitäten dazu auffordern, ihre Anlagen aus den fossilen Energien abziehen. Eine andere wichtige Möglichkeit ist, im Kleinen zu zeigen, dass eine Net Zero Welt möglich ist – in der eigenen Schule zum Beispiel. Es darf nicht um Individuen gehen. Sondern um die ganze Schule, das ganze Dorf oder die ganze Stadt.

Also liegt die Power gar nicht so bei den Regierungen, sondern bei kleinen Communities?

Die Politik hat eine riesige Verantwortung und sie müssen wirklich etwas tun. Sie müssten jetzt sagen, dass zum Beispiel keine Häuser mehr gebaut werden dürfen, die nicht Carbon Neutral sind. Jeder einzelne kann das durch Wahlen beeinflussen. Wir können unseren Omas und Opas empfehlen, was sie auf keinen Fall wählen dürfen, damit ihre Enkel eine Zukunft haben können. Aber auch auf den kleineren Verwaltungsebenen kann man viel machen.

Aber wenn Du solche Ziele wie 2050 hörst, ist es dann nicht viel zu spät?

Nein. Es ist wie gesagt, ein gradueller Wandel. Selbst 2050 wird schwer. Die Häuser, die wir heute bauen, sind zum Beispiel nicht die Häuser, die wir bräuchten, um 2050 CO2 frei zu leben. Wenn wir das schaffen, haben wir gute Chancen, das zwei Grad Ziel erreichen. Wir müssen uns aber auch jetzt schon an den Klimawandel anpassen.

Das hören wir in letzter Zeit auch immer öfter. Wie könnte so eine Anpassung denn aussehen?

Anpassung ist zu einem ganz großen Teil Information. Da größte Hinderniss dafür sind schlecht regierte Länder und Gebiete. Da wo die Strukturen nicht da sind, um mit den neuen Extremwetterereignissen umzugehen. Aber natürlich auch Städteplanung. Wir müssen uns in Europa auf deutlich heißere Sommer einstellen. Das heißt wir müssen unsere Städte so planen, dass genügend Grünflächen da sind. Aber zum Beispiel auch konkrete Anleitungen dazu, wie man mit großer Hitze umgehen kann.

Bei wieviel Grad hoffst Du, dass wir uns letztlich einpendeln werden?

Es hängt ganz viel davon ab, was in den nächsten Jahren politisch passiert. Aber ich denke, es gibt Anlass zur Hoffnung. Die jüngere Generation, zu der wir uns dazu zählen, wird es nicht hinnehmen, dass nichts passiert. Deswegen habe ich durchaus Hoffnung, dass wir das zwei Grad Ziel halten.

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