Puh, dieser vermeintliche Schritt in Richtung Umweltschutz führte geradewegs ins Fettnäpfchen. Mitte der Woche postet Ebru Yildirim aka nazjuju auf ihrem gleichnamigen Instagram-Kanal ein Foto von sich. Sie steht auf einer Gangway am Flughafen Stuttgart, mit neuer Frisur und mit einem grauen Sweater, den es für 22,95 bei Zara gibt. Aufdruck: Let’s Save Our Planet. In der Bildunterschrift ruft sie dazu in den selben Worten auf – und endet mit dem Hashtag #nurkurznachhamburg.
Die Fashion-Bloggerin bekommt dafür bis heute gut 12.500 Likes von ihren 282.000 Followern. Und natürlich jede Menge polarisierende Kommentare von allen Seiten. Bewusst oder unbewusst (wir unterstellen Letzteres) liefert Ebru mit ihrem Post ein Paradebeispiel in Sachen, wie man’s nicht machen sollte. Und gießt kannenweise Öl auf die Mühlen all derer, die sich (zu Recht) schon seit Wochen darüber aufregen, dass eine Fastfashion-Kette dreist genug ist, auf einem ihrer kurzlebigen, billigen, unter fragwürdigen Bedingungen hergestellten Oberteil ernsthaft zum Umweltschutz aufzurufen. Schön blöd, die Lady, kann man dazu jetzt sagen. Wir sagen statt dessen danke, Ebru!
Denn bewusst oder unbewusst (wir unterstellen letzteres) hat nazjuju eine Art Fall geschaffen. Sie hat ein Exempel statuiert – und damit hat diese Frau, von der viele von uns bis vor ein paar Tagen noch nie etwas gehört hatten, einen Prozess beschleunigt, den ein eco-fair produzierter Pulli am Bahnhof niemals angeschoben hätte. nazjuju holt die Debatte um verlogene Slogans auf Fastfashion-Pieces genau dorthin, wo sie hin gehört: Auf den Kanal einer Frau, die Fastfashion trägt. Und sie trägt die ernsthafte Auseinandersetzung damit, wie falsch diese Industrie ist, in eine riesige Community, die ebenfalls Fastfashion trägt. Eine Community, die über Herstellungsbedingungen und Ressourcen-Ausbeute in der Mode wahrscheinlich noch nicht so viel nachgedacht hat. Und das ist für den Moment möglicherweise mehr, als wir hier – und mehr als die meisten anderen nachhaltigen Blogger und Slowfashion-Instagramer tun können.
Und ganz abgesehen von der Strahlkraft, die der Post in völlig neue Konsumenten- und Konsumentinnen-Gefilde hinein hat, gibt’s außerdem auch noch was zu Lernen. Für Leute wie nazjuju in Sachen sachliche Kritik annehmen und zu eignen, sagen wir mal, ungünstigeren Aktionen, stehen. Und für alle, die’s besser wissen in Sachen sachlich kritisieren. Dazu, dass sie neben vielen durchaus guten Ratschlägen leider auch haltlos als dumm beschimpft und darüber hinaus auch noch kommentiert wurde, Ebru möge sich doch von einem Flugzeugflügel in den Tod stürzen, fällt uns eigentlich echt nichts mehr ein. Habt Ihr denn immer noch nicht verstanden, dass es um ein gemeinsames Ziel geht, das sich nur gemeinsam erreichen lässt? Wer wirklich die (Um-)Welt retten will, der muss das möglichst konsequent und mit Nachdruck tun – aber darf sich dabei niemals über andere erheben. Schon gar nicht über solche, die ja ganz offensichtlich versuchen, das Richtige zu tun.
Leute wie nazjuju, die sich beruflich in der Hauptsache mit anderen Dingen beschäftigen, auf ihren Kanälen aber dennoch erste Steps in Richtung Nachhaltigkeit machen, gehören ganz klar auch unterstützt und nicht nur verurteilt. Jeder, der sie in den letzten Tagen beschimpft hat, stilisiert die eco-faire Szene und belegt sie mit genau dem Urteil, gegen das wir doch gemeinsam ankämpfen wollen: bewertende, spitzfindige, hochnäsige, privilegierte Besserwisser zu sein, auf die am Ende der Ausdruck „Gutmensch“ mal wieder als Schimpfwort angewendet wird.
Alle, die trotzdem unbedingt das Blame Game spielen wollen, sollten dabei weniger auf Ebru schauen, als auf den Kern des Problems. Und der liegt nun mal nicht bei einem unüberlegten Instagram-Foto, sondern bei einer Politik, die für die globale Textilindustrie zu wenig Regeln schafft beziehungsweise einhält, bei Profit- und Macht süchtigen Konzernen, und bei einem System, das immer noch versucht uns an der Nase herum zu führen. Bei nazjuju hat das bravourös geklappt.
6 Kommentare
Liebe Anna,
vielen Dank für diesen wunderbaren Text! Ich finde es schade, dass „unsere“ Szene so draufhaut. Denn untereinander sind wir alle immer sehr lieb, hilfsbereit und offen. Und wir haben alle mal irgendwo angefangen grüner zu leben. Ich hoffe, dass es für besagt Instagrammerin trotzdem ein Denkanstoß ist.
Alles Liebe,
Serim
Hej!
Das habt ihr wirklich wunderbar dargestellt.
Meine erste Reaktion war auch Empörung über ihren Post. Aber je weiter ich euren Artikel gelesen habe, um so klarer wurde mir, dass genau solche „Fehler“ tatsächlich dazu beitragen, dass auch die Menschen, die in ihrem Alltag nur sehr wenig über die „save the planet-Thematik nachdenken, überhaupt mal mit dem Thema in Berührung kommen. Danke fürs Kopfzurechtrücken 😉
Grüße Christina
Bravo, das musste mal geschrieben werden. Danke, dass du das gemacht hast! ?
…ehrlich gesagt hatte ich den Post ganz anders interpretiert XD .. vom Shirt abgesehen fand ich es eher ironisch zur Weltrettung aufzurufen und trotzdem „nur mal kurz“ wohin zu fliegen. Das ist ja bekanntlich auch nicht sooo toll für die Umwelt.
Super Artikel. Sehr differenziert und mit beiden Augen auf das eigentliche Ziel geschrieben. Nur ein konstruktiver Dialog fuehrt zum Ziel, das sollten wir alle wissen.
Hi liebe Constanze, na klar! Genau darum geht es natürlich in allererster Linie – hielt ich in den ersten beiden Absätzen für erklärt bzw. selbsterklärend. Die Fastfashion-Thematik kommt dann noch on Top. Und am Ende hoffen wir für Aufmerksamkeit in beiden Bereichen: Mode und natürlich vor allem überflüssige CO2 Belastung durch Kurzstreckenflüge. Danke Dir, lieben Gruß und schönen Abend, Anna.
Andere Meinungen
[…] Wie saved man den Planeten? […]
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