Warum dieser Artikel wichtig ist:
Fast Fashion als einzige Option? Akzeptieren wir nicht! Für alle, die sich fragen, ob korrekte Mode heute überhaupt noch machbar ist, wirft Viertel \ Vor einen Blick in eine deutsche Textilproduktion, die zeigt, wie’s gehen kann: fair und nachhaltig und lokal. Und das seit 90 Jahren.
Werbung: Dieser Text erscheint aus Überzeugung – und mit freundlicher Unterstützung von Mey

Klingt wie eine riesige Nähmaschine, sieht aus wie ein kleines Kirmeskarussell – ein Karussell für Fasern. Denn hier, am Hauptstandort des Wäsche-Labels Mey im schwäbischen Albstadt, werden nicht nur T-Shirts, Slips, BHs, Night- und Loungewear entworfen und genäht. Hier, zum Beispiel auf der feinsten Strickmaschine der Welt, werden 80 Prozent der verarbeiteten Stoffe dafür auch noch selbst hergestellt. Zugegeben: Wir sind überrascht, als wir im Obergeschoss der hellen Produktionshallen stehen. Vor den Fenstern grüne Berghänge, drinnen eine Textilproduktion, mit deren selbstverständlicher Ursprünglichkeit wir im Vorfeld nicht gerechnet hätten.



Wer heute faire Mode macht, der spricht drüber, dachten wir. Mey macht einfach. Seit Jahrzehnten kann man sich im gutbürgerlichen Mittelgebirge zwischen Stuttgart und Konstanz angucken, wie es aussehen sollte in einer Industrie, die immer schneller und immer schmutziger wird. Dieses Jahr feiert das Familienunternehmen seinen 90. Geburtstag. Wir kommen für einen Imagefilmdreh. Und gehen als Fans. Und dazwischen fragen wir uns: Wie schafft die 1928 gegründete Brand, was andere nicht schaffen – oder nicht schaffen wollen?

„Ursprünglich war Mey eine Stoffproduktion, dann zunächst ein reiner Damenwäsche-Hersteller. In den Sechzigerjahren hat mein Onkel Albrecht dann entschieden, auf Marke zu setzen“, erklärt der Geschäftsführende Gesellschafter Florian Mey. „Damals war das Thema Brand noch nicht so bekannt, die Entscheidung in sofern sehr weitsichtig. Ich denke sie hat uns ein Stück weit das Überleben am Standort Deutschland gesichert.“ Sich selbst zur Marke und Kunden zu vertrauensvollen Fans zu machen, erlaubte dem Unternehmen, realistische Preise für seine Produkte zu verlangen. „Und so den Produktionsstandard auch auf lange Sicht zu halten“, so Florian.




Klingt logisch. Und wahrscheinlich erst Mal einfacher, als es in der langfristigen Umsetzung ist. Neben der Entscheidung von Florians Onkel, da sind wir uns sicher, hat es in den letzten Jahrzehnten ganz sicher noch viele weitere, kleine, wichtige Entscheidungen gebraucht, die vor allem das alltägliche Geschäft betreffen. Das, so scheint es, macht den meisten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen am Standort Albstadt echten Spaß. Viele von ihnen haben ihr komplettes Berufsleben im Unternehmen verbracht. Nach der Arbeit bleiben einige zum Firmensport oder genießen den Feierabend im firmeneigenen Schwimmbad. Davor arbeiten die insgesamt 450 Angestellten und 24 Azubis vor allem in der Stoffproduktion, im Zuschnitt und in der Fertigung schichtweise, beziehungsweise im Akkord. Dabei wechseln alle regelmäßig ihre Stationen, ganz bewusst, damit weder Routine noch Stress entsteht. Bezahlt wird übergreifend streng nach regionalem Tarif.



Qualität und Transparenz
Was gut ist, für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ist auch gut fürs fertige Produkt. Und das muss perfekt sein, bei Mey. „Zwei Dinge sind uns besonders wichtig: Qualität und Transparenz“, sagt Florian. „In Sachen Qualität waren wir schon immer top. An der Transparenz arbeiten wir immer weiter – wobei uns das zum Glück auch nicht sehr schwer fällt.“ Für ihn ist klar: „Man kann in der Textilbranche definitiv nachhaltig, fair und gleichzeitig konkurrenzfähig sein.“ Den eigenen Überzeugungen zu folgen und gleichzeitig die Kosten im Rahmen zu halten, sei trotzdem auch bei Mey „eine permanente Challenge“, so Florian. Eine Challenge, der er und seine drei Kollegen in der Geschäftsführung Roland Kull, Matthias und Markus Mey, sich immer wieder stellen wollen. In Albstadt und auch an anderen Unternehmensstandorten.



Seit gut 25 beziehungsweise 27 Jahren produziert Mey auch in Ungarn und Portugal – guten Gewissens. Dass die Herstellung im Ausland allgemein eher negativ behaftet ist, gefällt Florian nicht. Jedenfalls nicht uneingeschränkt. „Die Entscheidung für diese Standorte hatte nichts mit abhauen zu tun“, sagt er. „Tatsächlich hatten wir damals auf der Schwäbischen Alb Probleme genügend Näher oder Näherinnen zu finden.“ Denn die Textil-Branche kämpfe mit einem Image-Problem, weiß Florian. Auch unter potenziellen Angestellten, bei denen Mey sowohl in Deutschland als auch in Osteuropa mit der Automobil, Elektro und Metallindustrie konkurrieren muss. Die Auslagerung habe sich trotzdem rentiert, denn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Ungarn und Portugal seien laut Florian gut ausgebildet, loyal und mittlerweile sehr gut mit der Firmenphilosophie vertraut. Besonders letzteres ist dem Unternehmen wichtig. Deshalb hält Mey an den beiden ausgelagerten Standorten fest – obwohl beide in der Branche mittlerweile zu den so genannten Hochlohnländern gehören.
VOR \ Ort beim Baumwoll-Anbau in Peru

Noch weiter ausgelagert ist die Materialherstellung. Denn bevor die Fasern in Albstadt zu Garn gemacht werden können, muss vor allem die Baumwolle dafür ja irgendwo angebaut werden. Im Fall von Mey passiert das unter anderem im südamerikanischen Peru. Um sich Anbau, Ernte und Verarbeitung genauer anzusehen, reist Marcus zusammen mit Florian in die Region um Piura. Eine Reise, die keine klassische Pressereise ist. Im Gegenteil: Vor allem will der Geschäftsführende Gesellschafter Florian selbst wissen, wo sein Rohstoff herkommt. „Mir persönlich ist es sehr wichtig, auch mal auf dem Feld zu stehen und den Baumwollbauern wirklich in die Augen zu schauen“, sagt er. Und genau so hat Marcus es beobachtet. Florian, so sein Eindruck, weiß genau, wo potenzielle Kritikpunkte in seinem Bereich liegen könnten – und er versteht es, die besonnen zu betrachten und peu à peu verbessern zu wollen.
„Bei der Baumwolle muss man ganz genau hingucken, weil sie ein durchaus kritisches Produkt ist“, weiß Florian. Gemeint ist nicht nur der immens hohe Wasserverbrauch der Pflanze. „25 Prozent der weltweit in der Landwirtschaft eingesetzten Chemikalien fließen in die Baumwollproduktion. Das ist ein Fakt, der auf jeden Fall zum Nachdenken anregen sollte“, findet er. Seit 30 Jahren lässt Mey in Peru anbauen. Schon immer ohne Gen manipulierte Pflanzen. Schon immer wird per Hand, also ohne den Einsatz von Entlaubungsmitteln, gepflückt. „Außerdem sind die Witterungsbedingungen in Peru so, dass im Gegensatz zu den meisten anderen konventionellen Anbauregionen nur ein Mal im Jahr künstlich bewässert werden muss. Den Rest erledigt der Regen“, erklärt Florian.
Der gängige Weg in der Branche ist ein anderer: Die meisten Brands kaufen ihre Baumwolle zuhause, also zum Beispiel in Deutschland direkt bei einem deutschen Händler. „Das ist dann eine bunte Mischung an Fasern aus aller Welt von denen keiner so genau weiß, wo sie herkommen“, erklärt Florian. „Und das ist natürlich keine gute Voraussetzung.“
Learnings aus der Bio-Baumwollproduktion
Trotzdem ist auch das fertige Mey-Material keine ausgewiesene Bio-Baumwolle. „Und das beschäftigt uns“, sagt Florian. „Wir wissen, dass wir uns als Marke noch mehr mit diesem Thema auseinandersetzen müssen – und wollen noch besser werden.“ Leider seien das Bewusstsein oder Interesse für Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit nicht überall genauso groß wie aktuell in Deutschland oder Europa. „Insofern sind die Gespräche darüber oft etwas schwierig. „Wenn ich kritische Fragen stellen oder diskutieren möchte, dann stoße ich nicht unbedingt immer auf großes Interesse“, so Florian. Aufgehalten hat ihn das jedoch noch nie. Im Gegenteil. „Wenn ich es dann schaffe, ein Gespräch anzuregen und Fakten zu liefern, dann beginnt nichts desto trotz auch in Ländern wie Peru ein Interesse, das mir sehr gefällt.“


Florians mittelfristiges Ziel für Mey ist es, zunächst Learnings aus der Bio-Baumwollproduktion auch für den Anbau der nicht biologischen Feinbaumwolle anzuwenden. „Dabei sind alle Beteiligten wichtig“, findet er. „Brands wie wir, die NGOs die kritisch nachfragen und am Ende auch die Kunden, die bereit sein müssen, ein faires, biologisches Produkt zu kaufen und dafür zu bezahlen. Der Konsument und die Konsumentin sind da meines Erachtens ein wichtiges Bindeglied – nur müssen sie natürlich aufgeklärt werden! Solange sie nicht genau wissen, was in einem Kleidungsstück steckt, können sie kaum richtig entscheiden. Deshalb fühlen wir uns als Hersteller in der Pflicht für Transparenz zu sorgen und aufzuklären.“ Und genau das, will Mey tun. Jetzt – und möglichst noch weitere 90 Jahre lang.





FILME & FOTOS aus Peru: Marcus Werner für VOR \ Media
FOTOS aus Albstadt: Anna Schunck
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