Warum dieser Artikel wichtig ist:
Essen geht uns alle an. Heißt: Im Bereich Food sind wir besonders viele und können so die Macht des Konsumenten und der Konsumentin besonders gut nutzen – beim alltäglichen Einkauf. Und heute auch auf der Straße
Unser Kassenbon ist ein Stimmzettel. Und in Sachen Ernährung ist besonders oft Wahltag. Essen müssen, oder dürfen, wir schließlich alle immer und immer wieder. Means: In kaum einem anderen Bereich können wir uns so oft für das Gute oder auch schon das ein bisschen Bessere entscheiden – und so nicht nur den Markt, sondern Stück für Stück eine ganze Industrie verändern. Eine Industrie, die ausschlaggebend ist für das Wohlergehen unserer (Um-)welt. Und vor allem eine Industrie, die Veränderung bitter nötig hat. Finden auch: die Demonstranten und Demonstrantinnen, die heute zu tausenden auf die Straßen unserer Heimatstadt gehen, um zu protestieren und um Präsenz zu zeigen. Was die „Wir haben es satt“-Gang mit ihrer alljährlichen Demo verhindern will? Vor allem folgende fünf Food-Fails:

1. Billiges Fleisch und unfaire Milchpreise
Steak, Chickenwings, Milch, Butter und Käse werden aus oder von lebenden Wesen hergestellt. Wesen, die ein Dach über dem Kopf brauchen, die aufgezogen und ernährt, transportiert, geschlachtet oder gemolken werden müssen. Das alles kostet Zeit und eigentlich auch Geld. Wie hochwertig Kost und Logie für ein Masthühnchen waren, das im Discounter für 1,99 Euro angeboten wird, können wir uns vorstellen. Und das sollten wir auch! Billigfleisch wird produziert, so industriell und kostengünstig, wie’s nur geht. Massentierhaltung ist, egal ob nun für Fleisch oder Milchprodukte, für die Tiere immer eine Qual, für uns VerbraucherInnen ungesund und für die Umwelt durch überdimensionalen Futtermittelanbau und die viele Gülle eine Belastung. Die Dumping-Preise sorgen außerdem dafür, dass noch mehr Menschen noch mehr Fleisch kaufen. Ein Teufelskreis, der in der Milchproduktion zusätzlich noch die Produzenten betrifft – auch und gerade die, die’s besser machen wollen. Denn durch den Weltmarktdruck fallen die Preise ins Unrealistische und steigern den Produktionsdruck.
Tipp: Wer beides nicht unterstützen will, sollte tierische Produkte mehr zelebrieren aka reduzieren und auf (Bio-)Qualität achten. Die hat ihren Preis. Auch deshalb gilt schlicht und einfach weniger ist mehr.

2. Ettikettenschwindel
Neulich an der Supermarktkasse: Eine Anfang 30-Jährige lädt einen Schwung Softdrings in quietschbunten Faben aufs Fließband, dreht sich zu ihrer Freundin um und sagt: „Das ist zwar ein bisschen teurer, aber ich kaufe immer Vitamine Water für meine Kinder, ich möchte ja, das sie gesund bleiben“. Und ich möchte schreien! Ist es wirklich so einfach, uns KonsumentInnen zu verarschen? Reicht das bloße Wort Vitamin, um Mütter dazu zu bewegen, den Nachwuchs absolut unwissend und in bester Absicht regelmäßig mit einem Zuckerschock zu versorgen? Traurig aber wahr: ja. Und das liegt nur zum Teil an der Gutgläubigkeit der KundInnen. Vor allem liegt’s an den Täuschungsskills der Lebensmittelindustrie. Dass diese noch immer legal sind, empfinden wir – und die Demonstranten – als echten Skandal. Denn Herstellungsbedingungen und Plastikverpackungen schaden nicht nur der Umwelt. Die Inhaltsstoffe schaden uns!
Tipp: Glaubt nicht alles, was Ihr lest oder seht. Klar, das oben genannte Beispiel ist ein extremes. Aber das Bild von der glücklichen Kuh auf der Salamiverpackung oder das Wort „natürlich“ hat auch schon die Schlauis unter uns in Versuchung geführt. Informiert Euch genau – oder kauft gleich lose, unverarbeitete Lebensmittel.


3. Zusatzstoffe
Wo wir gerade bei ungesunden Inhalten sind: Die verstecken sich bei weitem nicht nur in Form von Ansatz natürlichen Substanzen wie zu viel Zucker oder zu schlechtes Fleisch – sondern vor allem in Gestalt von künstlichen Zusatzstoffen, den so genannten Es. Ein Großteil dieser Lebensmittelzusatzstoffe (ca. 60 Prozent), die verarbeitetes Essen länger haltbar machen, die Konsistenz verbessern oder schlicht technologische Prozesse bei der Herstellung vereinfachen sollen, steht im Verdacht, Allergien auszulösen und Krankheiten wie Neurodermitis, Allergien, Asthma, Alzheimer und auch Krebs zu begünstigen. Ihhh! Des weiteren verkümmern unsere Geschmacksnerven durch chemisch nachgebaute Aromen. Und das wär‘ doch nun auch echt schade!
Tipp: Auf die Gefahr hin, dass wir uns hier wiederholen, frisch und lose kaufen! Wer auf Verarbeitetes oder Abgepacktes nicht verzichten will, sollte seinen Blick schärfen. Nicht immer kommen die Es als solche daher, oft werden die Geschmacksverstärker auch ausgeschrieben. Kurz informieren, welche E-Nummer zu welchem Wort gehört, lohnt sich also.
4. Unkrautvernichter
Als Unwort des Jahres hätten wir auch „Glyphosat“ ganz passend gefunden! Im November machte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) den Weg frei für die weiteren Verwendung des Mittels in Europa – ein Schock, nicht nur für Öko-Hardliner. Denn der unerbittliche Unkrautvernichter tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den so genannten Herbizideinsatz überlebt. Das Ja zu Glyphosat ist also nicht nur ein Ja zum Einsatz von Giften in er Lebensmittelproduktion, es ist auch ein Ja zu gentechnisch verändertem Essen, ein Ja zu Monokulturen, die die Böden auslaugen – ein Ja, dass uns laut Nein schreien lässt. Nicht zuletzt auch, weil Glyphosat laut der Krebsforschungsagentur der WHO krebserregend sein könnte – und last but not least, weil es maßgeblich zum Verschwinden von Insekten beiträgt. „Bienensterben“ war folglich ein weiteres Wort, dass uns letztes Jahr erst in Schockstarre, dann in neuen Aktionismus verfallen ließ. Denn ohne die fleißigen Honigproduzenten gäbe es eben nicht nur keinen Honig mehr, sondern auch keine Blumen, Bäume und Co. Oder wollen wir unsere Nutzpflanzen in Zukunft wirklich per Menschenhand bestäuben? Hilfe!
Tipp: Aktiv werden! Petitionen unterschreiben, informieren, aktiv werden, Gesetzgeber spüren lassen, dass es irgendwann reicht. Im Discounter bewusst Produkte boykottieren, die unter Einsatz von Glyphosat erzeugt wurden, um so Verbraucherdruck auszuüben. Bio kaufen.

5. Lebensmittelverschwendung
Möhrchen mit Makel oder Joghurt, dessen Haltbarkeitsdatum bald abläuft: in Deutschland ganz schnell ein Fall für den Abfall. Pro Jahr werden in Deutschland bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen – die eigentlich noch locker genießbar wären. Einen Großteil davon haben wir uns mit unserem fehlgeplanten Einkaufsverhalten übrigens selbst auf die Privathaushaltsfahnen zu schreiben. Aber das ist ein anderes Thema. Außerdem bleibt immer noch genügend gutes Essen übrig, dass wegen optischer Mängel erst gar nicht vom Feld geerntet oder aus diversen anderen Gründen später vom Supermarkt weg geschmissen wird. Eine immense Verschwendung, die nicht sein muss! Oder sind wir KonsumentInnen wirklich so wählerisch und oberflächlich, dass wir krumme Rüben oder zusammengewachsene Erdbeeren nicht genau so gerne kaufen würden? Und brauchen wir wirklich noch um 20 Uhr die volle Auswahl an der Brottheke? Wir finden: nein! Und setzen uns deshalb, wie viele DemonstrantInnen, ein für weniger Verschwendung – und by the way auch gegen das Verbot von „Lebensmittelrettern“, die offiziell keine Container mit aussortiertem Essen durchsuchen dürfen. Why?
Tipp: Auch und gerade „hässliches“ Obst und Gemüse kaufen, legal Lebensmittel retten – zum Beispiel über die App „To Good To Go“, gezielter für Zuhause einkaufen, nicht vergessen, dass viele Produkte noch Tage bis Wochen nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum absolut gut sind.

FOTOS: Marcus Werner – „Wir haben es satt“ 2016
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