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WEGWERFEN WAR GESTERN – JETZT WIRD REPARIERT: IM GESPRÄCH MIT IFIXIT

Könnt Ihr Euch an die Zeit erinnern, als wir unsere Handys oder Notebooks noch selbst öffnen konnten? Unternehmen wie Apple, Samsung und Co. machen es ihren Nutzern immer schwerer hinter die ach so toll designte Oberfläche zu schauen – und bei Bedarf auch mal einen altersschwachen Akku zu wechseln, auf mehr Speicherplatz zu upgraden oder eben einfach etwas zur reparieren, wenn es kaputt geht. Lieber soll man gleich ein neues Gerät kaufen.

iFixit  ist die Antwort auf die Kurzlebigkeit unserer teuer erworbenen Technik und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensdauer elektronischer Geräte zu verlängern. Das US-Unternehmen ist der Überzeugung, dass jeder das Recht hat, sein Eigentum selbst zu warten oder instand zu setzen. Weil die meisten Unternehmen den Nutzern aber weder Anleitungen noch Ersatzteile dafür anbieten, springt iFixit ein: mit kostenlosen Onlineanleitungen und passenden Werkzeugsets. 

Aus der Idee von zwei Ingenieurwissenschaftens-Studenten, denen einst ein Laptop heruntergefallen und kaputt gegangen war, hat sich während der vergangenen 13 Jahre eine Erfolgsgeschichte entwickelt – und eine große Community aus Technikern und Bastlern, die ihr Wissen kostenlos über die Homepage weitergeben. Seit März 2013 gibt es außerdem eine Tochterfirma in Stuttgart. Die GmbH liefert von Deutschland aus iFixit-Produkte in 28 europäische Länder. 

Wir haben Matthias Huisken, einen der beiden deutschen Geschäftsführer und langjährigen iFixit-Nutzer, in Berlin zum Gespräch getroffen. 

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In allererster Instanz ist die Idee zu iFixit entstanden, um Geld zu sparen. Gab es trotzdem auch damals schon einen Nachhaltigkeitsansatz?

Ja. Natürlich war und ist der wichtige und richtige Ansatz immer: Weniger kaufen, länger nutzen. Und für Elektronik gilt das ganz besonders! Denn Elektromüll ist ziemlich toxisch und nicht neutral zu entsorgen.

Trotzdem werden gerade Elektronikgeräte wie Smartphones, Tablets oder Laptops leider sehr oft ausgetauscht.

Der Wechsel ist in dem Bereich hoch, das stimmt. Und dabei spielen meist noch andere Gründe als die reine technische Funktionsfähigkeit eine Rolle. Vor allem greifen da psychologische Aspekte, wie modische Trends, oder auch vertragliche Konstrukte, die einem teilweise im Jahresrhythmus neue Modelle schmackhaft machen. Was dabei leider oft vergessen wird, ist, dass die Produktion der Technik, die uns umgibt, eine Unmenge an Ressourcen und Energie verschlingt. Oftmals beruhigen sich die Menschen dann mit dem Gedanken, dass das Alte ja recycelt werden kann. Ein Trugschluss!

Inwiefern?

Bestandteile wie die vielen Spurenmetalle und seltenen Erden in diesen Geräten lassen sich auch beim Recyclingprozess nicht zurück gewinnen und landen in der Schlacke. Einige der Stoffe, die dadurch verloren gehen, sind auf unserem Planeten nur in begrenzter Menge vorhanden und allein ihr Abbau ist schon ein ökologisches Desaster. Insofern ist es absolut notwendig, dass wir lernen, mit der Technik die uns umgibt anders umzugehen. Sie ist tatsächlich ein großer Luxus, die wir aber meist nur noch als beliebig verfügbares Grundrauschen wahrnehmen.

Wie bringt man den Menschen das bei – gegen den Sog der Mode?

Ich denke, dass das Bewusstsein darüber, was das achtlose Verbrauchen dieser Produkte für Folgen hat, noch nicht bei der Mehrheit der Menschen angekommen ist. Es braucht einfach noch deutlich mehr Information dazu.

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Würde unser Verhalten mit dieser Information dann wohl schnell besser?

Na, die Menschen sind ja durchaus bereit, sich Gedanken zu nachhaltigem Konsum in anderen Lebensbereichen zu machen. Im Supermarkt denken sie ja auch darüber nach, ob sie nicht doch lieber zur Biobanane greifen oder an der Kasse auf die Plastiktüte verzichten. Das sind gerade gängige Überlegungen im Alltag. In anderen Bereichen, wie Handy, Fernseher und Co. findet dieses Nachdenken nicht statt. Und ich finde das eigentlich sehr verblüffend.

Aber das Reflektieren in einigen Bereichen bringt doch vielleicht auch eine Chance auf einen Next Step.

Ich hoffe es! Und ich denke auch, dass das jetzt nach und nach kommt. Wenn wir uns die Resonanz der Besucher auf unserer Seite anschauen, dann sehen wir deutlich, dass Informationsbedarf und Nachfrage wachsen. Ich glaube, dass die Leute auch langsam verstehen, dass gerade die Gegenstände des Alltags, die besonders schön und preislich verlockend sind, oft unter besonders unschönen Bedingungen hergestellt werden – und dass sie oft weder sozial noch ökologisch zu rechtfertigen sind. Und gerade elektronische Geräte sind heute qualitativ meist so gut, dass es eigentlich gar keinen häufigen Wechselbedarf mehr gibt.

Warum machen die meisten Hersteller es den Nutzern so schwer ihre Geräte selbst zu reparieren?

Ich würde sagen, weil die Geschäftsmodelle der meisten auf einen schnellen Generationswechsel ihrer Produkte ausgerichtet sind.

Ähnlich wie in der Mode, wo ständig neue Kollektionen kommen müssen?

Kann man so sagen. Und anders als zum Beispiel bei Automobilen wird bei Mobilgeräten der Großteil des Geldes nicht verteilt über den gesamten Lebenszyklus verdient. Ein Auto bringt man regelmäßig zum Service, kauft Ersatzteile und lässt so die Hersteller weiter verdienen. Bei Handy, Tablet und Co. wird der Gewinn hauptsächlich beim Verkauf des Produkts und der zugehörigen Accessoires gemacht. Insofern gibt es von der Herstellerseite ein großes Interesse daran, sehr regelmäßig möglichst viele dieser Produkte neu zu verkaufen — und zum Beispiel zusätzlich die Standards der Anschlussports zu ändern, damit man sich auch gleich das Zubehör noch einmal neu zulegt.

Haben die Unternehmen da ihre Chance erkannt, indem sie bewusst Handys gestalten, die immer schwerer auseinanderzunehmen sind? Vor ein paar Jahren konnte man zumindest Akkus ja noch selbst austauschen. 

Spannende Hypothese! In der Tat platzieren viele Hersteller den Akku sehr ungünstig im Gerät, kleben ihn fest ein und das Gerät dann zu. Ob man da jetzt ganz platt Vorsatz unterstellen sollte? Kann man machen, muss man aber nicht. Denn rationale Gründe lassen sich im Entwicklungsprozess natürlich immer finden: Staubschutz oder Wasserdichtheit, oder der angebliche Kundenwunsch nach dünneren Mobilgeräten. Hilfreicher finde ich, darauf hinzuweisen, dass der Akku ein Verschleißteil ist und im Produktdesign auch so berücksichtigt werden sollte. Eine fest verbaute Batterie in einem Mobilgerät ist wie ein Satz Räder an einem Auto, die man angeschweißt hat. Das ist offensichtlich absurd. Niemand sollte sowas kaufen.

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FOTOS: Marcus Werner // iFixit

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