„Es gibt genug Stoff aus Biobaumwolle auf dem Markt, er wird nur nicht gekauft“, erklärt Christa Suter, Geschäftsführerin der BioRe-Stiftung. „Viele Kleidungsfirmen sagen, dass sie gern nachhaltiger produzieren würden, aber nicht genug Unternehmen Biobaumwolle produzieren. Das stimmt nicht. Es ist viel Biobaumwolle verfügbar – dass sie oft nicht gekauft wird, ist natürlich hauptsächlich eine Preisfrage“.
Vier Stunden sind wir diesen Morgen aus der tansanischen Stadt Mwanza am berühmten Viktoriasee nach Meatu gefahren. Eine Provinz, die so klein ist, dass wir sie nicht einmal mit Google Maps finden können, gelegen in der südlichen Serengeti, einem der bekanntesten Nationalparks der Welt. „Manchmal sehen wir Elefanten auf der Suche nach Wasser, wenn wir abends spazieren gehen“, sagt Christa. Sie lächelt.


Aber wo, bitte, finden die Elefanten hier Wasser? Nach der magenaufreibenden Fahrt über Sand- und Schotterpisten sehen wir beim Aussteigen aus, wie um vierzig Jahre gealtert: Der Staub hat die Haare grau gefärbt. Außer stacheligen Büschen, Akazien und Affenbrotbäumen gibt’s weit und breit keine Flora. Eine karge Landschaft – aber auch eine der schönsten und eindrucksvollsten, die wir je gesehen haben. Und hier, im absoluten Niemandsland, sollen Elefanten Wasser finden – und soll sogar auch Baumwolle wachsen?
„Es ist Anfang September, hier ist gerade Trockenzeit“, erklärt Christa, als wir unter einem gemütlichen Dach des BioRe-Centers im Schatten sitzen, um uns vor der heißen Sonne zu verstecken. „Wir haben noch einen zweiten Standort in Indien. Dort haben wir etwa 3000 Farmer, hier sind es um die 2000. Wir können so das ganze Jahr über versetzt anbauen und ernten“. Seit Jahrzehnten ist Christa Teil von BioRe, einer Firma, die zum Schweizer Textilunternehmen Remei gehört. Die Firma wurde 1983 von Baumwoll-Pionier Patrick Hohmann aufgebaut, der sich bei seiner Arbeit schon früh für umfassende Transparenz einsetze. Das reichte ihm aber nicht: 1991 gründete er BioRe in Indien; Tansania folgte 1994. Diese beiden Standorte sorgen nun seit fast fünfundzwanzig Jahren für einwandfreie Bio-Baumwolle. „Eigentlich ganz einfach“, sagt Christa, „BioRe sorgt für die Ernte und Remei für den Markt“. Das Konzept funktioniert: Marktriesen wie die Galeries Lafayette, Gerry Weber, Mammut und auch Einhorn sind Kunden von Remei.


„Organic Cotton – was heißt das für euch?“, wollen wir von Christa wissen. „Natürlich bauen wir ohne Chemikalien an. Wir spritzen nie“, erklärt sie. „Wer spritzt, tötet auch nützliche Insekten und muss immer weitermachen: Ein Teufelskreis.“ Wenn Unternehmen sich wirklich die Zeit nehmen, sich mit der Pflanze auseinanderzusetzen, merken sie: Man kann Sonnenblumen zwischen die Baumwolle pflanzen, die fangen dann viele der Schädlinge ab. Auch natürliche Duftstoffe können Ungeziefer anziehen, diese verenden dann in Molassefallen. „Mit unserem Ansatz erhalten wir uns auch die Nützlinge und Vögel. Und schaffen es, in der Natur eine Balance zu halten – dann kommen erst gar nicht so viele Schädlinge. Das geht bei rein chemischen Monokulturen nicht mehr. Ein ausgewogener Organismus muss präventiv agieren können. In Indien sah ich ein Vogelnest in einer unserer Bio-Baumwollpflanzen”. Mehr Bio geht wirklich nicht.


Aber auch der Fair Trade Aspekt kommt bei BioRe nicht zu kurz, der ganzheitliche Ansatz der Organisation ist überall zu erkennen. Denn unabhängig davon, wie das Jahr ausgefallen ist, gibt Remei den Bauern von BioRe immer eine Abnahmegarantie. So können die Landwirte jedes Jahr das Gros ihrer Erträge verkaufen und somit ihre Existenzgrundlage sichern, anders, als bei anderen Biobaumwollproduzenten. Dass Remei den Farmern auch noch eine Prämie zahlt, ist einzigartig. „Das ist einer unserer wichtigsten Grundsätze“, sagt Christa. Denn die Situation in Tansania ist aus verschiedenen Gründen anders und manchmal auch schwieriger als bei den Partnerplantagen in Indien.
Jedes Jahr legt die tansanische Regierung einen neuen Mindestpreis für Exportgüter fest, an den sich die Käufer dann halten müssen. Das gilt für (Bio-)baumwolle genauso, wie für Kaffee und Cashews. Und obwohl die Intention gut ist, den Landwirten mehr Einkommen zu ermöglichen, sind diese Regelungen in der Praxis schwierig, denn „die Preise müssen mit dem Weltmarkt vereinbar sein“. Wird andernorts mehr und günstiger produziert, bleiben viele tansanische Landwirte auf ihren teuren Produkten sitzen – bei international sehr tiefen Baumwollpreisen sind nur wenig Textil- und Bekleidungsmarken bereit, mehr für tansanische Produkte zu bezahlen. Bei Baumwolle verstärkt sich das Problem zusätzlich, weil die Pflanze ein Cash Crop ist. „Er ist das Haupteinkommen des Farmers. Wenn es nicht regnet, dann ist das eine Katastrophe. Er wartet auf den Moment, an dem er ernten kann, damit er Geld verdient“.
Und Regen ist in der Tat ein riesiges Problem im ländlichen Tansania. Aufgrund der Wasserknappheit in der Trockenzeit können die Baumwollfelder nicht künstlich bewässert werden, anders, als in Indien. Viele Landwirte haben dort Quellen und Teilbewässerungsanalgen, am Ende ist ihr Ertrag deshalb oft höher. Mit der Klimakrise werden diese Wetterphänomene extremer. Und BioRe passt sich immer den Gegebenheiten an: „Wir bereiten Schulungen für die Farmer vor. Im Rahmen von unserem Aufforstungsprojekt geben wir ihnen kleine Bäume mit, die sie pflanzen sollen. Nur dichtere Wälder können Feuchtigkeit effektiv bündeln. Damit sie die Bäume zum Kochen nicht wieder abholzen müssen, haben wir Projekte ins Leben gerufen, die geschlossene Öfen finanzieren – so brennt das Feuer nicht so schnell aus, die Familien brauchen weniger Feuerholz und somit werden weniger Bäume geschnitten“.

Mit zwei BioRe-Landwirten treffen wir uns, sie führen uns herum, über ihre Äcker und Höfe. Sie bestätigen, dass die gemeinsame Arbeit mit BioRe für sie viel verändert hat: Die Abnahmegarantie gibt ihnen langfristige Sicherheit. Aber auch ihr Alltag hat sich verbessert, da sie keine Chemikalien mehr einatmen müssen. Neben den Öfen finanziert BioRe in den Bau von Brunnen, um so an mehr Trinkwasser zu gelangen. Frauen wird das Nähen beigebracht. Die ganze Provinz profitiert vom ökologischen und ganzheitlichen Ansatz.



Das merken wir auch, als wir abends mit Charles Mabuga, einem der beiden BioRe-CEOs und Christa spazieren gehen: Sie grüßen alle, die wir treffen, auf Sukuma und Swahili. Man kennt sich, man mag sich, man hilft einander. Wir laufen ein wenig hinter den beiden, die sich leise unterhalten. Die Sonne geht unter, sehr schnell, wegen der Äquatornähe und endlich werden die Temperaturen erträglich. Einen Elefanten sehen wir heute nicht. Dafür Käfer, die größer sind als Spatzen, Ziegen, Kühe. Der ganz normale Alltag im ländlichen Tansania. Trotz merklicher Auswirkungen des Klimawandels steht BioRe hier für Sicherheit – nun müssen nur noch mehr Unternehmen es ihnen und Remei gleichtun und in Bio investieren.
Vielen Dank BioRe Tansania für diesen wirklich einzigartigen Besuch.
Fotos: Manuel Jungmann und Mina Schmidt



Schreibe einen Kommentar
Deine Mailadresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind mit * markiert.