Wer träumt nicht davon? Mit einer Community mitten in der Stadt, und trotzdem im eigenen Haus wohnen. Und on top auch noch auf dem Wasser und nachhaltig. Sascha Glasl und sein Team beim Architekturbüro space & matter haben es in Amsterdam möglich gemacht. Und sind direkt selbst mit eingezogen.

Es geht natürlich um Architektur: das Haus, die Außenseite, der Innenraum, Licht, gute Technik. Aber dann auch die ganzen Zusammenhänge: was passiert, wenn man seine Eingangstür öffnet? Befindet man sich auf der Straße oder in einer dunklen Halle mit einem Aufzug, wo man seine Nachbarn nur ab und zu trifft? Die meisten Leute wollen eigentlich nicht so wohnen. Ich merke, dass viele einen privaten Bereich wollen, aber immer öfter auch einen kollektiven Bereich, wo sie andere treffen. Und da gibt es viele Nuancen, die man anbieten kann.




Das ist schon irgendwie unglaublich. Von einem auf den anderen Tag wurden alle Hausboote hier reingefahren. Was eben noch ein Industriegebiet war, hat sich so über Nacht zu einer Art Dorf auf dem Wasser entwickelt. Das kann man überhaupt gar nicht fassen und war super emotional und überwältigend für uns.
Unser Ansatz war, dass wir keinen einzelnen Bauentwickler haben. Das heißt, die Häuser sollten sich nicht gleichen und alle architektonisch unterschiedlich sein. Wir haben alle städtebaulichen Maßnahmen organisiert, die Grundregeln zusammen mit den Bewohnern erstellt und dann den Gesamtprozess begleitet. Wir haben also vorgegeben, wie groß die Außenmaße und Wohnungen sind, wie das Dach ungefähr aussehen soll und welches Material verwendet wird. Den Rest haben die Bewohner dann zusammen mit individuellen Architekten umgesetzt. Dadurch ist das Resultat auch sehr schön, weil jedes Haus anders ist. Am Ende haben wir alle Häuser und Stege nochmal so gedreht, dass alle einen schönen Blick und Zugang zum Wasser haben.


Das wirklich besondere des Schoonships ist, dass wir alle an ein Smart-Grid angeschlossen sind. Das heißt, dass wir unsere eigene nachhaltige Energie via Sonnenkollektoren auf den Dächern produzieren und über verbundene Batterien in den Kellern uns direkt untereinander austauschen können. Wenn ich zum Beispiel im Urlaub bin und den Strom nicht brauche, kann ich ihn einfach direkt an meinen Nachbarn verkaufen. Durch dieses eigene Netz sind wir ziemlich autonom.
Das liegt vor allem an den fast Monopolen der großen Stromerzeuger. Es gibt ein Gesetz in Holland, das sagt, dass man keinen Strom erzeugen und an seinen Nachbarn verkaufen darf. Wir haben aber vom Staat einen Status bekommen, um hier zu experimentieren. Alle wissen mittlerweile, dass es andere Lösungen geben muss.






Amsterdam und die Niederlande wollen All-Electric gehen. Das heißt, in Zukunft soll auch kein Gas mehr verbraucht werden. Für so ein Vorhaben müsste man die komplette Infrastruktur umbauen und riesige Kabel verlegen. Wenn man es aber schafft, das Ganze dezentral zu organisieren, muss man viel weniger Infrastruktur anlegen. Wir brauchen deshalb hybride Lösungen. Hier werden wir vom Staat unterstützt, um zu sehen, wie gut solche Off-The-Grid Nachbarschaften funktionieren können.
Genau. Vor allem weil neben der technischen Nachhaltigkeit auch die soziale Nachhaltigkeit gestärkt wird. Jeder beim Schoonship kennt hier jeden. Der Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfsbereitschaft ist sehr hoch. Wir haben eine gemeinsame WhatsApp Gruppe, die wie ein Marktplatz funktioniert.


Es gab jede zweite Woche eine riesige Challenge. Wir waren ja auf allen möglich Ebenen innovativ und Pioniere. Das fängt beim Technischen an und hört bei den Verhandlungen mit der Stadt auf. Schwierig waren zum Beispiel auch die Kreditvergaben der Banken für zwei Familien auf einem Boot. Oder auch die ganzen rechtlichen Bedingung dafür. Die Rechtsanwälte hatten jede Menge Arbeit, weil dieses Modell hier wirklich neu ist. Letztlich ist jetzt jedes Hausboot auch ein Wohnverein geworden und wir haben damit eine entsprechende gesetzlich Lösung gefunden. Aber dafür saßen auch zwei Jahre lang zwanzig Leute in einem Raum, um solche Probleme zu lösen.
Ja. Die Kosten haben wir alle zusammen als Gruppe getragen. Also auch alle, die ein Einzelhaus haben, haben dafür bezahlt, um mehrere Familien auf einem Boot möglich zu machen. Für uns war es von Anfang an wichtig, dass es nicht nur teure Häuser gibt. Hier sollten auch Menschen leben können, die sich nicht ein riesiges Haus leisten können.




Wir haben verschieden Formen ausprobiert. Am Anfang hatten wir eine Stiftung. Mit der kann man solche Projekte gut entwickeln, weil so ein Stiftungsboard schnell Entscheidungen treffen kann. Jetzt sind wir ein Verein von Eigentümern.
Ja, wir sind sogar gerade dabei alle unsere Privatautos zu verkaufen. Wenn man hier in dem Gebiet ein Projekt entwickelt, muss man auf dem eigenen Grundstück parken. Das können wir auf dem Wasser aber gar nicht. Deswegen haben wir von der Stadt ein Grundstück bekommen, wo wir ein neues Mobility Konzept entworfen haben. Die Schoonship-Community besitzt jetzt zusammen acht elektrische Golfs, einen elektrischen Truck und elektrische Fahrräder. Demnächst sollen noch vier elektrische Boote dazu kommen. Über eine eigene App teilen wir die Fahrzeuge, je nachdem wann wer eins braucht. Ich habe mein Auto gerade verkauft.


Wir sind auf der Suche nach einer Alternative gewesen. Die Initiativnehmerin hatte das Gefühl gehabt, dass so, wie wir in den Städten wohnen, irgendetwas nicht stimmt. Das haben ganz viele und keiner weiß genau, wo es hingeht. Wir haben die letzten zehn Jahre all diese Konzepte entwickelt und unsere Umgebung selber geschaffen. Für uns ist das DIE Lösung. An vielen Facetten haben wir das Gefühl: Ja, das ist so, wie wir unsere Kinder leben wollen. Wir wollen gemeinschaftlich sein und wir wollen nachhaltig sein. Wir wollen kein Gas benutzen, wenn es Alternativen gibt. Wir alle haben einen ähnlichen Lifestyle und sind auf der Suche nach dem selben Dingen.
Das ist ein sehr komplexes Thema. Meistens 2wird der Masterplan für den Raum von der Stadt gemacht. Da wird ein Baukörper hingesetzt und die Architekten können das füllen. Aber es ist eben auch sehr wichtig, wie man so ein Projekt entwickelt. Das heißt, wie man zum Beispiel die zukünftigen Bewohner mitnimmt, inklusive der Wünsche der Leute, die dann da wohnen wollen. Deswegen ist es wichtig, dass eine Stadt nicht nur drei, vier Köpfe entwickeln. So wird sie weniger anonym und die Leute fühlen sich viel mehr verbunden.



Amsterdam ist super progressiv. Für mich als Deutscher, ist Amsterdam wie ein Spielplatz. Hier darf man alles probieren. Es gibt wenig Grenzen. Es ist zwar sehr bürokratisch, aber trotzdem schaffen wir es hier sehr besondere Projekte zu realisieren. Das wäre in Deutschland viel schwieriger.
Wenn die Stadt ein Projekt ausschreibt, dann wollen sie zum Beispiel nicht nur einen architektonischen Plan haben, sondern auch ein hollistisches Gesamtkonzept, was dort alles passieren soll. Wir versuchen das Konzept für dieses Projekt gerade zu exportieren. Aber man merkt, dass das in Holland immer ein Stück einfacher ist.



Die Holländer sind sehr pragmatisch und offen für neue Sachen. Hierarchie ist nicht so wichtig und die Holländer arbeiten sehr gern miteinander. Alle mitzunehmen ist sehr wichtig.
Die ganze Gegend hier wird noch entwickelt. Da kommen nochmal 5000 Wohnungen dazu. Und das ist ein großes Fragezeichen. Wir versuchen gerade mit anderen Büros an dem städtebaulichen Plan mitzuarbeiten. Und das ist spannend, weil man nicht weiß, welcher Architekt das Grundstück bekommt und ob man dann damit happy wird. Grundsätzlich bin ich froh, dass die Stadt diesen Plan in Rücksprache mit den jetzigen Bewohnern und Firmen aufstellt. Das ist eine gute Voraussetzung, denn in zehn Jahren wird hier alles total anders sein. Ich hoffe, dass durch den Druck viele Wohnungen zu bauen, die Lebensqualität nicht zu kurz kommt.






Fotos & Interview: Marcus Werner
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